/ 11.06.2013

Thomas Müller-Schneider
Zuwanderung in westliche Gesellschaften. Analyse und Steuerungsoptionen
Opladen: Leske + Budrich 2000; 335 S.; ISBN 3-8100-2692-1Habilitationsschrift Fakultät Sozial- und Wirtschaftswissenschaften Bamberg. - Der Autor fragt nach den Gründen für die (neue) Zuwanderung in entwickelte westliche Staaten und verfolgt dabei das Ziel, "zur theoretischen Begründung einer humanen und gleichzeitig tragfähigen Migrationspolitik" (12) beizutragen. Dabei baut er auf die Modernisierungstheorie von Berger und vor allem auf die Wanderungstheorie von Hoffmann-Nowotny auf. Die neue Zuwanderung wird in diesem Zusammenhang als ein entwicklun...

Thomas Müller-Schneider
Zuwanderung in westliche Gesellschaften. Analyse und Steuerungsoptionen
Opladen: Leske + Budrich 2000; 335 S.; kart., 54,- DM; ISBN 3-8100-2692-1Habilitationsschrift Fakultät Sozial- und Wirtschaftswissenschaften Bamberg. - Der Autor fragt nach den Gründen für die (neue) Zuwanderung in entwickelte westliche Staaten und verfolgt dabei das Ziel, "zur theoretischen Begründung einer humanen und gleichzeitig tragfähigen Migrationspolitik" (12) beizutragen. Dabei baut er auf die Modernisierungstheorie von Berger und vor allem auf die Wanderungstheorie von Hoffmann-Nowotny auf. Die neue Zuwanderung wird in diesem Zusammenhang als ein entwicklungsbedingtes Übergangsphänomen bezeichnet.
Müller-Schneider kritisiert Erklärungsmuster als falsch bzw. unzureichend, "in denen 'der Westen' zumindest latent als (mit)verantwortlicher Akteur auftritt. So wird die gestiegene irreguläre Migration meist auf die politischen Restriktionen westlicher Staaten und die Zuwanderung insgesamt häufig auf wachsende Weltprobleme zurückgeführt, die von den westlichen Gesellschaften verursacht, aber nicht beseitigt oder nicht verhindert werden" (11 f.). Zuwanderung lasse sich jedoch als Resultat von zum Teil miteinander zusammenhängenden Sachverhalten erklären: den Modernisierungs- und Globalisierungsprozessen, der Ausbreitung von intermediären Sozialgebilden und den Eigendynamiken der Wanderung. Dabei sind Bevölkerungsbewegungen gemeint, die sowohl in den klassischen Einwanderungsländern als auch in den hochindustrialisierten westeuropäischen Staaten auftreten (nämlich Einschleusung, Asylmigration, interethnische Heiratsmigration und Familiennachzug).
Das Hauptmotiv für Zuwanderung erkennt Müller-Schneider in dem Wunsch nach Teilhabe am modernen Leben im Westen. "Also im wesentlichen nicht Armut oder Menschenrechtsverletzungen können die Entstehung der neuen Zuwanderung erklären, auch nicht ungleiche Lebensverhältnisse an sich, sondern erst die Wahrnehmung der globalen Ungleichheit und deren Bewertung aufgrund neuer Werte. Die Zuwanderung in westliche Gesellschaften ist demnach als spezifische Aufstiegsstrategie zu deuten" (260). Ferner nennt der Autor das Asylrecht, den Familiennachzug, Abbau von diskriminierenden Regelungen, Aufhebung oder Lockerung von Ausreisebeschränkungen sowie Heiratsmigration aufgrund zunehmender Emanzipation der Frauen in den westlichen Ländern als Zuwanderungsmotiv. Immer mehr Menschen entschieden sich für eine irreguläre Migration, die vor allem durch transnationale Migrationsnetzwerke sowie profitorientierte Schleuserorganisationen und Heiratsagenturen unterstützt, begünstigt oder gar hervorgerufen werden. Die lange Verfahrensdauer beim Asylantrag steigere den Anreiz für irreguläre Asylmigration und die Chancen einer erfolgreichen Anerkennung. In den Herkunftsländern informierten Migrationsnetzwerke über diese Praxis mit der Folge, dass weitere irreguläre Wanderungsbewegungen gen Westen ausgelöst würden. Dies wiederum steigere den Bedarf an entsprechenden Schleuserdienstleistungen usw. Im letzten Kapitel schlägt Müller-Schneider Strategien zur Steuerung der neuen Zuwanderung vor. Dabei geht es ihm um die Frage nach dem Handlungsspielraum, "den westliche Gesellschaften zur Gestaltung der neuen Zuwanderung haben" (301).
An empirischem Material fanden Dokumente, Statistiken sowie Experteninterviews Eingang in diese Arbeit. Unter diesen Quellen des Materials dominieren staatliche/amtliche Stellen, was angesichts des Gegenstands wohl unvermeidlich ist. Um dies auszugleichen, wäre ein besonders kritisches Auge erforderlich gewesen. Müller-Schneider scheint allerdings an der Fundierung staatlicher Äußerungen grundsätzlich keinen Zweifel zu hegen, wenn er erwähnt, gelegentlich auch auf Presseartikel zurückgreifen zu müssen, sofern "in der wissenschaftlichen Literatur keine entsprechenden Informationen vorhanden sind. [...] Die betreffenden Mitteilungen können als fundiert gelten, wenn sie auf glaubwürdige Quellen, beispielsweise staatliche Institutionen" (88) zurückzuführen sind. Dass staatliche Verlautbarungen (auch) durch politische Motive bestimmt werden, die sich mit Fundierung nicht immer in Einklang bringen lassen, scheint dem Autor jedenfalls noch nicht in den Sinn gekommen zu sein. Ob er deshalb zu einem "amtlichen" Ergebnis gelangte, ist damit freilich nicht gesagt.
Detlef Lemke (Le)
Dipl.-Politologe.
Rubrizierung: 4.42 | 2.23 | 2.35
Empfohlene Zitierweise: Detlef Lemke, Rezension zu: Thomas Müller-Schneider: Zuwanderung in westliche Gesellschaften. Opladen: 2000, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/12163-zuwanderung-in-westliche-gesellschaften_14516, veröffentlicht am 01.01.2006.
Buch-Nr.: 14516
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