„Am Rande eines solchen Gipfels…“ Über Zentrum und Peripherie des G20-Treffens in Hamburg
Das Gipfeltreffen wurde von den Staats- und Regierungschefs dazu genutzt, Gespräche auch außerhalb des eigentlichen Programms zu führen. Sind diese als ein Bestandteil des Gipfels zu verstehen? Stefan Kroll äußert sich skeptisch.
Aleksandr Dugin. Kreuzzug gegen den Liberalismus und Verbindungen nach Deutschland
Eine schillernde Figur, ein rechtsextremer Theoretiker, sei Aleksandr Dugin, der zwar internationale Medienaufmerksamkeit, jedoch nur geringe akademische Anerkennung außerhalb der antiliberalen Szene erlangt habe, schreibt Andreas Umland. Dugin bezeichne sich selbst als Begründer des russischen „Neoeurasismus“, dem es um die Schaffung einer noch nie dagewesenen Weltordnung gehe. Der Theoretiker sei zu einer festen Größe sowohl seiner nationalen patriotischen als auch der internationalen rechtsextremen Szene geworden. Er pflege Kontakte nach Österreich und Deutschland, vor allem zur AfD.
Altes Denken statt Neues Russland. Innenpolitische Bestimmungsfaktoren der Außenpolitik
Was ist in den Beziehungen zwischen Russland und dem Westen falsch gelaufen und wer hat daran Schuld? Ausgehend von der Annahme, dass vor allem innere Faktoren das Außenverhalten bestimmen, rekapituliert Hannes Adomeit entlang von fünf Büchern die innere Entwicklung Russlands und verknüpft diese mit dessen Außenpolitik. Die Autoren der besprochenen Werke sind sich einig, dass Putin einen autokratischen und autoritären Staat ausgeformt hat, der mit der Russisch-Orthodoxen Kirche zusammenarbeitet und im postsowjetischen Raum „eurasisch“, imperialistisch orientiert ist. Die Außenpolitik zeigt sich entsprechend als eine anti-westliche, militärisch unterfütterte Großmachtpolitik.
Christoph Heusgen: Führung und Verantwortung. Angela Merkels Außenpolitik und Deutschlands künftige Rolle in der Welt
München, Siedler Verlag 2023
Jakob Kullik hat das jüngst erschienene Buch von Christoph Heusgen für uns gelesen. Letzterer blickt darin auf die Außenpolitik Angela Merkels und zugleich auf die künftige Rolle Deutschlands innerhalb der internationalen Beziehungen. Er skizziere damit verbundene Herausforderungen und betone stets die Notwendigkeit der Bewährung des Völkerrechts. All dies eruiere der Diplomat sowie ehemalige außen- und sicherheitspolitischer Berater der Altkanzlerin in zehn Kapiteln über die für Deutschland bedeutendsten Staaten und Regionen – ein eher „zahmes Buch“, bilanziert unser Rezensent.
Das Moskauer Patriarchat. Wie die ukrainische Autokephalie negiert wird
Die Russische Orthodoxe Kirche (ROK) lehnt die Verleihung der Autokephalie an die Orthodoxe Kirche der Ukraine (OKU) durch das Ökumenische Patriarchat von Konstantinopel im Januar 2019 ab. In ihrer Argumentation folge die Moskauer Kirchenleitung dem außenpolitischen Diskurs der russischen Staatsführung, so das Autorenduo. Die Ukraine werde als Aggressor gegenüber russophonen ukrainischen Staatsbürgern dargestellt. In der Kongruenz der Propagandadiskurse zeige sich die Abhängigkeit der ROK vom Kreml. Die Kirche Russlands könnte so in internationale Isolation geraten.
Die russische Außenpolitik. Ausgewählte Kurzrezensionen
In der hier ausgewählten Fachliteratur spiegelt sich, wie sehr sich die russsische Außenpolitik in den Amtszeiten von Wladimir Putin als Ministerpräsident und als Staatspräsident gewandelt und dann vor allem immer weiter verengt hat mit dem Ziel, der Stabilität des eigenen Regimes zu dienen.
Einblicke in ein defektes System. Staat und Regierung in Russland im Spiegel ausgewählter Kurzrezensionen
Die Literatur spiegelt das Missglücken der demokratischen Transformation in Russland: Meinungsfreiheit und gesellschaftlicher Pluralismus sind nach einer kleinen Blüte nach dem Ende der Sowjetunion sukzessive immer weiter beschränkt worden. Die Politik unter Präsident Putin dient vornehmlich nur noch der Stabilität eines Regimes, das dem Autoritarismus zuneigt.
Eskalierende Sicherheitspolitik. Ausgewählte Kurzrezensionen zur russischen Ukraine-Politik
Der politische Umgang Russlands mit der Ukraine ist gekennzeichnet durch das Bestreben, in diesem Teil des postsowjetischen Raumes den eigenen Einfluss zu sichern – erst politisch und dann, nach dem Sturz von Wiktor Janukowytsch, im Osten des Landes und auf der Krim auch militärisch.
Hannes Adomeit: Imperial Overstretch: Germany in Soviet Policy from Stalin to Gorbachev. An Analysis Based on New Archival Evidence, Memoirs, and Interviews
Imperial Overstretch: Germany in Soviet Policy from Stalin to Gorbachev. An Analysis Based on New Archival Evidence, Memoirs, and Interviews
Baden-Baden, Nomos Verlagsgesellschaft 2016
(Internationale Politik und Sicherheit 48, 2. Auflage)
Die russische Behauptung, der Westen habe Gorbatschow einst versprochen, die NATO nicht nach Osten auszudehnen, ist nur ein Mythos, der heute der Propaganda dient, wie Hannes Adomeit in dieser akribischen Analyse zeigt. Tatsächlich war zum einen der Systemumbruch in Osteuropa in der Zeit, in der die deutsche Einheit verhandelt wurde, nicht weit genug fortgeschritten, um eine derartige Forderung zu erheben, zum anderen erlebte die Sowjetunion in der Endphase ihrer imperialen Überdehnung einen Paradigmenwechsel, der ein Neues Denken auch in der Sicherheitspolitik ermöglichte. Heute aber sei eine Wiederauferstehung imperialer Ambitionen zu beobachten.
Hubert Seipel: Putins Macht. Warum Europa Russland braucht
Putins Macht. Warum Europa Russland braucht
Hamburg, Hoffmann und Campe 2022
Die Ausführungen Hubert Seipels stoßen bei unserem Rezensenten Arno Mohr auf Unverständnis und Kritik. Zwar sei Seipel „ein renommierter, vielfach ausgezeichneter investigativer Fernsehjournalist“, doch habe er in „Putins Macht“ eine „‚verkehrte Welt‘“ konstruiert, in der er Russland die Rolle des „Guten“ und dem Westen die des „Bösen“ beimesse. So schreibe Seipel, dass Russland nur auf die Aktionen des Westens reagiere und sich gezwungen sehe, sich gegen „eine Bedrohungspolitik des Westens zur Wehr zu setzen“. Seipel mangele es an einem „wirklicheitsgerechte[n] Blick“, sodass eine Analyse der Macht Putins noch zu erstellen sei.
Im Fokus: Russland und Eurasien. Eine kommentierte Auswahl von Forschungsprogrammen und fortlaufender Berichterstattung
Die große weltpolitische Bedeutung Russlands zeigt sich auch im Ausmaß der wissenschaftlichen Beschäftigung mit der Innen- und Außenpolitik dieses Landes. Mehrere namhafte Think-Tanks veröffentlichen nicht nur in loser Folge Analysen, sondern haben Russland eigene Themendossiers oder Forschungsprogramme gewidmet.
Innenpolitische Determinanten der Putinschen Außenpolitik
Die konfrontative russische Außenpolitik werde oft als Reaktion auf angebliche Fehler des Westens gesehen, schreibt Hannes Adomeit in der ersten Ausgabe von „SIRIUS – Zeitschrift für Strategie Analysen“. Tatsächlich seien es hauptsächlich innere Faktoren, die das russische Außenverhalten bestimmten.
Kompass gesucht. Die unvorhersehbare Russland-Politik Trumps im Fokus der Experten
Die ersten einhundert Tage der Präsidentschaft sind nicht nur davon geprägt, dass staatliche Institutionen und die Medien versuchen, das Beziehungsdickicht Trumps und seines Teams zu Russland zu lichten. Auch haben erste außenpolitische Entscheidungen für Unruhe gesorgt, da sie weder im Sinne traditioneller Außenpolitik noch entsprechend Trumps Ansage, das Verhältnis zu Russland neu und besser auszugestalten, funktioniert haben. Verschiedene Analysten sehen für den Westen und seine Werte, aber auch für die globale Sicherheitsordnung schwierige Zeiten aufziehen.
Konkurrenten um eine jeweils andere Integration. Das Verhältnis von EU und Russland in der Krise
Warum haben sich die Beziehungen zwischen der EU und Russland vor dem Hintergrund der Ukraine-Krise innerhalb kürzester Zeit gravierend verschlechtert? Welche Folgen hat dies insbesondere im wirtschaftlichen Bereich und wie könnten neuerliche vertrauensbildende Maßnahmen aussehen? In zwei Bänden – „Die Beziehungen zwischen der EU und Russland“ und „The European Union and Russia“ – wird diesen Fragen aus verschiedenen Perspektiven nachgegangen. Als wesentlich für den gegenwärtigen Zustand werden konkurrierende Integrationsmodelle genannt, aber auch die fehlende Einsicht Russlands in die Vorteile, die kooperatives Denken und Handeln bieten.
Kooperieren oder abgrenzen? Russlands Außenpolitik in ausgewählten Aufsätzen und Kommentaren
In den wissenschaftlichen Analysen spiegeln sich die Schwierigkeiten, die russische Außenpolitik zu verstehen und geeignete Antworten zu entwickeln. Geopolitische Ansprüche im östlichen Europa wie im nördlichen Atlantik, eine auch auf andere Länder zielende Propaganda sowie das Engagement Russlands in Syrien haben eine komplexe Situation entstehen lassen, mit der die internationale Ordnung infrage gestellt wird.
Margareta Mommsen: Das Putin-Syndikat. Russland im Griff der Geheimdienstler
Das Putin-Syndikat. Russland im Griff der Geheimdienstler
München, C. H. Beck 2017
In Russland herrsche ein verborgenes Netzwerk, schreibt Margareta Mommsen, in dem die politischen und ökonomischen Interessen der regierenden Eliten des Landes ausgehandelt würden. Die Spitze der Machtpyramide aus informellen Gruppen nennt sie das „Putin-Syndikat“. Dieser realen Machtkonstellation seien die formellen Institutionen der gleichzeitig bestehenden Scheindemokratie, etwa das Parlament und das Ministerkabinett, untergeordnet. Rezensent Hannes Adomeit stimmt ihren zentralen Thesen zu, hätte sich allerdings deren Verknüpfung mit Aspekten der russischen Außenpolitik gewünscht.
Martin Aust: Die Schatten des Imperiums. Russland seit 1991
Die Schatten des Imperiums. Russland seit 1991
München, C. H. Beck 2019
Martin Aust erklärt die politischen Entwicklungen der vergangenen dreißig Jahre Russlands vor dem Hintergrund seiner imperialen Tradition. Für ihn befindet es sich seit 1991 „in einer postimperialen Konstellation“. Dabei knüpft Aust an die jüngere historische Imperienforschung an, die sich unter anderem mit dem Übergang von imperialen zu postimperialen Ordnungen befasst. Auch die Rolle Michail Gorbatschow wird beleuchtet, dem es nicht gelungen sei, die Herausforderung der von ihm bemühten Gleichzeitigkeit von politischer und wirtschaftlicher Reform zu bewältigen.
Michael Thumann: Revanche. Wie Putin das bedrohlichste Regime der Welt geschaffen hat
Revanche. Wie Putin das bedrohlichste Regime der Welt geschaffen hat
München, C.H. Beck Verlag 2023
Putin übt Vergeltung für den Zerfall der Sowjetunion, konstatiert Michael Thumann. Der erfahrene Auslandskorrespondent diskutiert vorliegend die Etappen der Radikalisierung Vladimir Putins sowie Gelegenheitsnationalismus oder die Frage nach einem gegenwärtigen Faschismus in Russland. Dabei seziert Thumann auch die Fehlannahmen, welche in Deutschland und Westeuropa zu lange über Russland wirkten, wie unser Rezensent Vincent Wolff hervorhebt. In der Gesamtschau gelinge damit eine spannende Ergänzung zu den aktuellen Debatten über das Regime, dessen Interessen und russische Außenpolitik.
Putins neues Russland nach der Verfassungsreform. Die Sicht aus Kiew
Wolodymyr Iwanov, Pawlo Klimkin und Andreas Umland analysieren die von Präsident Putin im Januar 2020 initiierte Verfassungsreform in ihren weitreichenden Auswirkungen für die russische Bevölkerung sowie für Moskaus Außenpolitik im postsowjetischen Raum. So könnten verschiedene neue Bestimmungen der russischen Verfassung Bedeutung erlangen, um dieses oder jenes militärische oder hybride Vorgehen Moskaus gegen prowestliche Tendenzen nicht nur in Kiew, Kischinau und Tiflis, sondern jetzt auch bezüglich Minsks zu rechtfertigen.
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