War Rauschning „ein abgehalfterter nationalsozialistischer Konjunkturritter, der aus Enttäuschung über die entgangene politische Karriere in Danzig ins Gewand des Widerständlers schlüpfte" (7)? Dieser Frage geht ein deutsch‑polnischer Arbeitskreis am Deutschen Historischen Institut Warschau nach. Die Aufsätze beschreiben die politische Biographie Rauschnings, der sich als nationalsozialistischer Senatspräsident in Danzig um eine Verständigung mit Polen bemühte, später in die USA emigrierte und schließlich erfolglos versuchte, in der Bundesrepublik politisch Fuß zu fassen. Die Herausgeber vertreten die These, dass Rauschning „in der konservativ‑restaurativen Bundesrepublik zu einer Unperson des Widerstandes wurde, weil er den heimlichen bundesdeutschen Gründungsmythos von der Verführung der Deutschen durch den Nationalsozialismus gefährdete" (14). Inhalt: Pia Nordblom / Jürgen Hensel: Einführung (7‑48); Karla Neschke: Der Musikwissenschaftler Hermann Rauschning (49‑60); Dariusz Matelski: Hermann Rauschning in Posen 1920‑1926 (61‑69); Grzegorz Berendt: Die Judenfrage in der Freien Stadt Danzig und die Rolle Hermann Rauschnings 1933‑1934 (71‑89); Anthony Carty: Der Nihilismus‑Begriff in Hermann Rauschnings „Die Revolution des Nihilsmus" (91‑111); Wolfram Ender: Rauschnings Kritik des Nationalsozialismus ‑ typisch für das deutsche Bürgertum? (113‑121); Jürgen Hensel: Hermann Rauschnings politisches Itinerar vom Juli 1935 bis zum Mai 1940. Versuch einer Rekonstruktion (123‑150); Pia Nordblom: Wider die These von der bewussten Fälschung. Bemerkungen zu den „Gesprächen mit Hitler" (151‑174).