Neyer hat ein Modell der Herrschaft im Mehrebenensystem entwickelt. Mit Max Weber bestimmt er die drei Herrschaftskomponenten Kompetenz des Regelungsautors, Akzeptanz der Regelungsbetroffenen und Legitimität des Regierens. In vergleichenden Fallstudien untersucht er Muster politischer Herrschaft für die vier Politikfelder Handelspolitik, Umverteilungspolitik, Menschenrechtspolitik und Haushaltssanierungspolitik. Als deren Ursachen benennt er Verrechtlichung und Vergesellschaftung, d. h. die „Einbindung von nicht-gouvernementalen Regelungsbetroffenen" (48) wie Parlamentariern oder privaten Akteuren bei der Rechtsetzung. Staatliche Regelbefolgung wird zum Indikator für postnationale Herrschaft, der Nachweis eines „Legitimitätsglaubens" (27) der beteiligten Akteure unterbleibt. Bei der Zusammenführung zahlreicher theoretischer Stränge leidet die eigene Argumentation des Autors, nicht zuletzt wegen der Vermengung konstitutiver und kausaler Faktoren. Neyer zeigt empirisch, dass effektives Regieren unabhängig von der Existenz eines „institutionalisierten Gewaltmonopols" oder „vorpolitischer kollektiver Identitäten" (240) stattfindet. Im internationalen Bereich blieben jedoch kompatible staatliche Interessen und deren „freiwillige Einsicht" (241) in den Nutzen regelkonformen Handelns ausschlaggebend. Um hier von Herrschaft sprechen zu können, greift der Autor auf ein Verständnis von Macht als „[e]invernehmliches Handeln" (109) im Sinne Hannah Arendts zurück. Dieses kooperative Machtkonzept verweist freilich auf ähnliche Mechanismen wie die laut Neyer defizitären Theorien internationaler Kooperation oder Regelbefolgung, die „ohne Rekurs auf den Herrschaftsbegriff" (18) arbeiten.