/ 22.06.2013

Alfred Grosser
Die Freude und der Tod. Eine Lebensbilanz
Reinbek: Rowohlt 2011; 288 S.; 19,95 €; ISBN 978-3-498-02517-5Wohl kaum ein Politikwissenschaftler hat die Geschichte der deutsch-französischen Beziehungen nach dem Zweiten Weltkrieg so sehr begleitet wie Alfred Grosser. In seiner „Lebensbilanz“ lässt Grosser, der 1925 in Frankfurt geboren wurde und 1933 mit seiner Familie nach Frankreich emigrieren musste, die schwierige, mitunter dann auch erfolgreiche, jedoch keinesfalls selbstverständliche Annäherung Frankreichs und Deutschlands Revue passieren. Dabei geht Grosser als eine spezielle deutsch...

Alfred Grosser
Die Freude und der Tod. Eine Lebensbilanz
Reinbek: Rowohlt 2011; 288 S.; 19,95 €; ISBN 978-3-498-02517-5Wohl kaum ein Politikwissenschaftler hat die Geschichte der deutsch-französischen Beziehungen nach dem Zweiten Weltkrieg so sehr begleitet wie Alfred Grosser. In seiner „Lebensbilanz“ lässt Grosser, der 1925 in Frankfurt geboren wurde und 1933 mit seiner Familie nach Frankreich emigrieren musste, die schwierige, mitunter dann auch erfolgreiche, jedoch keinesfalls selbstverständliche Annäherung Frankreichs und Deutschlands Revue passieren. Dabei geht Grosser als eine spezielle deutsch-französische Version von Helmut Schmidt durch, der jedoch im Unterschied zum ehemaligen Bundeskanzler das Politische aus der wissenschaftlichen Distanz hat wahrnehmen dürfen, ein Privileg, wie es einem Berufspolitiker kaum vergönnt ist. Da erstaunt es ein wenig, dass Grosser bekennt, ihm sei des Öfteren ein „Mangel an Wissenschaftlichkeit vorgeworfen worden“ (27). Bei genauerer Betrachtung hingegen erweist sich das als eine seiner größten Stärken: „Eine gewisse Abneigung gegenüber großen Theorien“ (29). Dass eine solche Haltung relativierender Gelassenheit, wie Grosser sie in Seminaren bei Raymond Aron gelernt hat, nicht in Gleichgültigkeit mündet, verdeutlicht seine Vita eindrücklich. Als einer der führenden öffentlichen Intellektuellen Frankreichs zeigt sich der deutsche Franzose Grosser bestürzt bis entsetzt über die verdummende, ja verbrecherische Dimension (vgl. 109) der Thesen Thilo Sarrazins. Man wird ihm da nur beipflichten können – und gleichsam zugestehen müssen, dass die Perspektive des Außen durchaus nicht ohne – wie Sven Papcke das einmal formuliert hat – Esprit und Relevanz für die Selbstwahrnehmung der deutschen Politik ist. Esprit und Relevanz jedenfalls sind zwei Attribute, die auf Grossers politische Gegenwartsdiagnosen in jedem Fall zutreffen – auf beiden Seiten des Rheins.
Matthias Lemke (LEM)
Dr. phil., Politikwissenschaftler (Soziologe, Historiker), wiss. Mitarbeiter, Institut für Politikwissenschaft, Helmut-Schmidt-Universität Hamburg.
Rubrizierung: 1.3
Empfohlene Zitierweise: Matthias Lemke, Rezension zu: Alfred Grosser: Die Freude und der Tod. Reinbek: 2011, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/33691-die-freude-und-der-tod_40350, veröffentlicht am 04.05.2011.
Buch-Nr.: 40350
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Dr. phil., Politikwissenschaftler (Soziologe, Historiker), wiss. Mitarbeiter, Institut für Politikwissenschaft, Helmut-Schmidt-Universität Hamburg.
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