/ 21.06.2013
Henning Albrecht
"Pragmatisches Handeln zu sittlichen Zwecken". Helmut Schmidt und die Philosophie
Bremen: Edition Temmen 2008 (Studien der Helmut und Loki Schmidt-Stiftung 4); 183 S.; geb., 14,90 €; ISBN 978-3-86108-635-2Keiner der bisherigen deutschen Bundeskanzler habe derart häufig auf das Denken von Philosophen Bezug genommen wie Schmidt, schreibt Albrecht. Die theoretische Disziplin sei für Schmidt eine Anleitung zur Praxis gewesen und habe der Legitimierung seines politischen Handelns gedient. Dies werde bereits an den für ihn zentralen Philosophen augenscheinlich: Marc Aurel, Immanuel Kant, Max Weber und Karl Popper stünden für innere Gelassenheit, das Vertrauen auf Rationalität, das Ideal des Politikers ...
Henning Albrecht
"Pragmatisches Handeln zu sittlichen Zwecken". Helmut Schmidt und die Philosophie
Bremen: Edition Temmen 2008 (Studien der Helmut und Loki Schmidt-Stiftung 4); 183 S.; geb., 14,90 €; ISBN 978-3-86108-635-2Keiner der bisherigen deutschen Bundeskanzler habe derart häufig auf das Denken von Philosophen Bezug genommen wie Schmidt, schreibt Albrecht. Die theoretische Disziplin sei für Schmidt eine Anleitung zur Praxis gewesen und habe der Legitimierung seines politischen Handelns gedient. Dies werde bereits an den für ihn zentralen Philosophen augenscheinlich: Marc Aurel, Immanuel Kant, Max Weber und Karl Popper stünden für innere Gelassenheit, das Vertrauen auf Rationalität, das Ideal des Politikers und das Plädoyer für eine offene Gesellschaft bei Ablehnung jeder Ideologie. Entsprechend schwer habe sich Schmidt während seiner Regierungszeit mit den neuen sozialen Bewegungen getan. Die Anti-Atombewegung und die Friedensbewegung seien ihm von Angst bewegt erschienen, ihre Sichtweisen habe er als „Kultur- und Technikpessimismus“ interpretiert und sogar von „gesellschaftlichen Neurosen“ (142 f.) gesprochen. Jeder Gewissensentscheidung müsse aber die „dringende Anstrengung der kritischen Ratio vorangehen“ (162). Angst sei ein schlechter Ratgeber und mache durchdachte Entscheidungen unmöglich, so die Meinung Schmidts, der zudem in jenen Jahren die Demokratie als noch nicht gefestigt und eine eventuelle Energiekrise als hoch gefährlich angesehen habe. Als kulturkritisch habe sich Schmidt außerdem in Anlehnung an Karl Popper in Fragen des Fernsehens erwiesen. Er habe befürchtet, dass „die Scheinwirklichkeit des Geschehenen [.] zur Verwechslung mit der Wirklichkeit führe“ (118). Durch Schwerpunktsetzungen, Intensität und Auswahl in der Berichterstattung konstruierten die Medien den Grad der Wichtigkeit eines Problems und verzerrten somit die Wirklichkeit, führt Albrecht weiter aus. Ebenfalls in Anlehnung an Popper habe Schmidt daher einen „hippokratischen Eid“ der Medienbetreiber gefordert. Sie müssten ihrer Informationspflicht für den Wähler nachkommen und von gewaltorientierter und sensationslüsternen Darstellungen Abstand nehmen, denn „was die Menschen von der Benutzung ihrer Vernunft abhalte, so Popper, das gefährde die Seele der Menschheit“ (120).
Timo Lüth (TIL)
Student, Institut für Politische Wissenschaft, Universität Hamburg.
Rubrizierung: 2.3 Empfohlene Zitierweise: Timo Lüth, Rezension zu: Henning Albrecht: "Pragmatisches Handeln zu sittlichen Zwecken" Bremen: 2008, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/30264-pragmatisches-handeln-zu-sittlichen-zwecken_35911, veröffentlicht am 08.04.2009. Buch-Nr.: 35911 Inhaltsverzeichnis Rezension druckenStudent, Institut für Politische Wissenschaft, Universität Hamburg.
CC-BY-NC-SA