Wenn Politiker von Moral reden, hebt sich bei vielen Zuhörern mokant die Augenbraue. Bei Koschnick scheint dies nicht der Fall zu sein; er ist einer der wenigen, denen man dieses Thema und die persönliche Bedeutung für ihn über die Grenzen von Partei und Zynismus hinweg abnimmt. Das Buch ist eine Art Biographie in Gesprächen, die Koschnick mit einem beim Hessischen Rundfunk tätigen Fernsehjournalisten geführt hat. Die Themen kreisen um Biographisches im engeren Sinne ("Buten und Binnen - eine Bremer Biographie"), die Rolle Koschnicks als EU-Administrator im früheren Jugoslawien ("Mostar - Katastrophe oder Modell für Europa?"), die Zukunft der europäischen Integration ("Europa - als Heimat zu groß, als Vision zu fern?"), die christliche Moral in der Politik ("Von der Macht der Moral") und zuletzt, in Fortführung des letzten Kapitels, um aktuelle politische Fragen ("Visionen gesucht"). Koschnick präsentiert sich als nüchtern und engagiert, als Pragmatiker und Moralist, als Realist mit Visionen. Kurz, als ein Politiker, von denen es zu wenige gibt.