/ 22.06.2013
Massimiliano Livi / Daniel Schmidt / Michael Sturm (Hrsg.)
Die 1970er Jahre als schwarzes Jahrzehnt. Politisierung und Mobilisierung zwischen christlicher Demokratie und extremer Rechter
Frankfurt a. M./New York: Campus Verlag 2010; 299 S.; 29,90 €; ISBN 978-3-593-39296-7Ausgehend von der historischen Zäsur 1968 „veränderten sich die Vorstellungen darüber, was unter Politik zu verstehen und wie Politik zu machen sei“ (10), erläutern Schmidt und Sturm. Die 70er-Jahre werden angesichts etwa der neuen sozialen Bewegungen oder neuer Jugendsubkulturen daher als von links geprägt wahrgenommen. Der Politisierungsschub hat aber sowohl die demokratische wie auch die extreme Rechte mit neuen Herausforderungen konfrontiert. In den Beiträgen wird daher ein anderer Blick auf das Jahrzehnt geworfen und „nach der Beschaffenheit des Spektrums rechts der Mitte“ (11) sowie nach den Akteuren gefragt. Den Betrachtungen der Entwicklungen in der Bundesrepublik werden dabei weitere über Frankreich, Italien und Österreich an die Seite gestellt, wobei die beiden letztgenannten Länder neben Deutschland als postfaschistische Gesellschaften verstanden werden, in denen die politische Rechte noch ihr Verhältnis zum Nationalsozialismus, Faschismus bzw. Austrofaschismus zu klären hatte.
Ein anschauliches Beispiel allerdings, wie schwer es die politische Rechte zumindest in der Bundesrepublik gegen die linken Bewegungen hatte, zeigt sich im Beitrag von Anna von der Goltz über die konservative Mobilisierung an westdeutschen Hochschulen. Obwohl die Mitgliedszahlen des RCDS zeitweise mit denen des SDS fast gleichauf waren, fällt auf, dass die rechten Gruppierungen die Aktionsformen der linken übernahmen und auch ansonsten eher reagierten als agierten. Von völlig anderer Qualität entpuppt sich dagegen die politische Rechte in Italien mit ihren fließenden Übergängen zum Neofaschismus und zum rechten Terrorismus.
Wiederholt stellt sich mit den Beiträgen, die eine erste Erkundung eines Forschungsfeldes darstellen, die Frage nach den Kontinuitäten in die Gegenwart. Dies gilt auch für das Gedankengut und die gesellschaftliche Vernetzung der französischen Nouvelle Droite, deren Personal teilweise zur Front National wechselte. Am Beispiel der zwar gescheiterten, einst der NPD sehr nahe stehenden „Aktion Widerstand“ zeigt sich zudem, dass sich die extreme Rechte in den 70er-Jahren etwa mit der Ausländer- und sogar der Umweltpolitik neue Themen erschloss. Die 70er-Jahre werden damit in diesem Band insgesamt nicht zum schwarzen Jahrzehnt umgedeutet, aber auch als solches wahrgenommen.
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.61 | 2.313 | 2.23 | 2.22 | 2.331 | 2.35 | 2.37 | 2.25 | 2.4
Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Massimiliano Livi / Daniel Schmidt / Michael Sturm (Hrsg.): Die 1970er Jahre als schwarzes Jahrzehnt. Frankfurt a. M./New York: 2010, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/33039-die-1970er-jahre-als-schwarzes-jahrzehnt_39466, veröffentlicht am 15.02.2011.
Buch-Nr.: 39466
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Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
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