/ 17.06.2013

Katrin Nesemann
Medienpolitik im Libanon. Regulationstendenzen nach dem Bürgerkrieg
Hamburg: Deutsches Orient-Institut 2001 (Hamburger Beiträge: Medien und politische Kommunikation - Naher Osten und islamische Welt 4); 141 S.; 17,- €; ISBN 3-89173-065-9"Pressefreiheit ja, aber..." So lässt sich der Grundsatz der libanesischen Medienpolitik umschreiben. Dem "Aber" geht die Autorin in zweierlei Hinsicht nach. Zum einen wird bei der Bestandsaufnahme der Massenmedien auch das Verhältnis zwischen Medien und Politik untersucht. Zum anderen wird nach der Funktion der Massenmedien gefragt: Handelt es sich bei ihnen um eine vierte Gewalt, dienen sie eher der Verbreitung ideologischer Inhalte oder spielen spezielle Interessen - wirtschaftlicher oder politischer Art - eine entscheidende Rolle? Bei der Beantwortung dieser Fragen nimmt Nesemann sehr informativ die libanesische Gesellschaft in den Blick. Und obwohl der Libanon das am weitesten demokratisch entwickelte Land der arabischen Welt ist (10), unterliegen die Medien schwerwiegenden Einschränkungen, die sich in Zensur und Selbstzensur niederschlagen. Wesentlichen Einfluss auf das Ausmaß der Zensur übt der Nachbarstaat Syrien aus, der seit 1976 Soldaten im Libanon stationiert hat. Diese militärische Präsenz darf praktisch nicht thematisiert werden. Einen völlig anderen Grund hat die Selbstzensur vor allem der Fernsehsender. Sie nehmen sehr viel Rücksicht auf den saudischen Markt, der ein wichtiger Abnehmer der Programme ist. Dieser Wirtschaftsopportunismus trägt wesentlich zum Mangel an innerer Pressefreiheit bei (100). Problematisch ist weiterhin, dass das Mediensystem mit seinen Besitzverhältnissen und seinem finanziellen Hintergrund nicht transparent ist. Zudem fühlen sich die Journalisten eher konkreten Interessen und nicht einem abstrakten Gemeinwohl verpflichtet (103). Wichtiger Unterschied zu den westeuropäischen Ländern ist außerdem, dass die Pressefreiheit gesellschaftlich anders gewichtet wird. Um den Staat, der unter 15 Jahren Bürgerkrieg gelitten hat, nicht wieder zu destabilisieren, wird eine Zensur eher toleriert. Einen Druck hin zu einer kritischeren Berichterstattung übt laut Nesemann allein der sehr populäre Fernsehsender Al-Jazeera aus Qatar aus. Er zeigt, dass es auch unzensierte Nachrichten aus der arabischen Welt geben kann.
Aus dem Inhalt: II. Die Massenmedien im Kontext von Staat und Gesellschaft; III. Der Libanon auf den Weg in die Moderne; IV. Massenmedien und nationale Identität im libanesischen Kontext; V. Eine kurze Geschichte der libanesischen Medien; VI. Die "Reorganisation" der Audiovisuellen Medien 1994-1996; VII. Vom Umgang mit der Pressefreiheit; VIII. Einflussnahme aus dem Ausland; X. Nachtrag: Die Entwicklung 1998 bis Anfang 2001.
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.63 | 2.22
Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Katrin Nesemann: Medienpolitik im Libanon. Hamburg: 2001, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/16088-medienpolitik-im-libanon_18440, veröffentlicht am 01.01.2006.
Buch-Nr.: 18440
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Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
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