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Ronen Steinke: Verfassungsschutz. Wie der Geheimdienst Politik macht

Berlin 2023, Berlin-Verlag

Michael Kohlstruck sieht in dem vorliegenden Buch eine gelungene Aufarbeitung eines in Politik und Wissenschaft virulenten Themas für die breite Öffentlichkeit: Der Autor Ronen Steinke entfalte darin sowohl eine immanente Kritik, die die Einlösung des Ziels einer „wehrhaften Demokratie“ durch den Verfassungsschutz prüft, als auch eine radikale, die auf die Auflösung des Inlandsgeheimdienstes abzielt. Während das Buch an manchen Stellen noch stärker auf die bereits bestehende Forschung hätte eingehen können, befinde es an sich anderen Stellen „auf der Höhe der Diskussion“.

Geheimdienst, wehrhafte Demokratie, Demokratie und Frieden, Liberales Versprechen

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Hans Kundnani: Eurowhiteness. Culture, Empire and Race in the European Project

London, Hurst & Company 2023

Die EU verdrängt ihre koloniale Vergangenheit und europäische Identität ist nicht das Gegenteil von Nationalismus. So lassen sich zwei zentrale Thesen des vorliegenden Buchs zusammenfassen. Daniel Keil lobt Kundnanis Leistung, offenzulegen, wie stark die positive Selbstbeschreibung Europas als fortschrittlich mit dem historischen Fakt kollidiere, dass die Abgrenzung zu Nicht-Weißen entscheidend zur Herausbildung der europäischen Idee beigetragen habe. Kritisch sieht Keil hingegen Kundnanis Analyse der europäischen Erinnerungspolitik, die auf einem ungenauen Verständnis des Begriffs „Zivilisationsbruch“ beruhe.

politische Kultur, Rassismus, europäische Integration, Demokratie und Frieden, Europa und EU

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Georg Wenzelburger, Reimut Zohlnhöfer: Handbuch Policy-Forschung

Mit der zweiten, überarbeiteten und erweiterten Auflage des „Handbuch[s] Policy-Forschung“ ist es den Herausgebern und Mitwirkenden gelungen, einen guten Überblick über das Profil eines Forschungsfeldes zu geben, resümiert unser Rezensent Thomas Mirbach. Dabei regt er an, die Entscheidung zu überdenken, ob die Fokussierung dieses Forschungsfeldes auf kausale Erklärungen bei Ausschluss von anwendungsbezogenen Perspektiven so beibehalten werden sollte und stellt die Frage in den Raum, ob die Policy-Forschung nicht auch eine Beratungsfunktion entfalten könnte.

Migrationspolitik, Policy-Analyse, Theorie-und-Praxis-Relation, Gesundheitspolitik, Politikberatung, Demokratie und Frieden, Fokus Politikwissenschaft

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Simon Schaupp: Stoffwechselpolitik. Arbeit, Natur und die Zukunft des Planeten

Berlin 2024, Suhrkamp

Unter dem Begriff der „Stoffwechselpolitik“ zeichnet Simon Schaupp nach, dass wir die ökologische Krise nur über unsere Arbeit verstehen werden: Seine These lautet, dass Arbeit menschliches Leben erst ermöglicht, aber in ihrer kapitalistischen Form auch die ökologische Krise verursacht. Leon Switala spricht dem Buch in seiner Rezension eine bahnbrechende Bedeutung zu, indem er Schaupps Erkenntnisse als unverzichtbar für jede weitere Studie ausweist – nicht ohne darauf hinzuweisen, dass mit Blick auf die praktischen Konsequenzen noch viel Arbeit vor uns liegt. 

Ökosystem, Klimawandel, Kapitalismus, Naturzerstörung, Strukturwandel der Arbeit, Erwerbsarbeit, Demokratie und Frieden, Strukturwandel der Gesellschaft

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Sebastian Sons: Die neuen Herrscher am Golf und ihr Streben nach globalem Einfluss

Bonn, Verlag J.H.W. Dietz Nachf. GmbH 2023

Sebastian Sons beschreibt die ‚Zeitenwende‘ der Golfstaaten, ihrer Gesellschaften und Eliten: Ambitioniert, geopolitisch flexibel, widersprüchlich und autoritär – so verlangten die an Einfluss gewinnenden golfarabischen Monarchien ihren westlichen Partnern in Fragen von außenpolitischer Zusammenarbeit für Energiepartnerschaften, Diplomatie oder Migration zunehmend eine langfristige strategische Herangehensweise ab, schreibt Sons. Unser Rezensent lobt, dass der Islam- und Politikwissenschaftler dabei mit „großer Sachkenntnis wie auch gut lesbar“ formuliert habe.

China, Russland, USA, Europa, Iran, Saudi-Arabien, wirtschaftliche Zusammenarbeit, Klimaschutz, arabische Welt, Israel, Vereinigte Arabische Emirate, Naher Osten, Menschenrechte, Internationale Ordnung, Westen, USA, Außen- und Sicherheitspolitik

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Den Eigensinn der Gegenwartsgesellschaft verstehen

Mit den vorliegenden Büchern sind zwei Gegenwartsdiagnosen erschienen, die gesellschaftliche Konfliktlinien und die Art und Weise ihrer Politisierung auf komplementäre Weise erfassen. Während die Autoren von „Triggerpunkte“ laut unserem Rezensenten Stefan Wallaschek eine gelungene empirische Vermessung vermeintlicher gesellschaftlicher Polarisierungen vornehmen, rekonstruiert Anton Jäger vor diesem Hintergrund überzeugend, wenn auch nicht ohne Mängel, unter dem Begriff „Hyperpolitik“ historisch die Entstehung einer desorganisierten und damit ineffektiven Politikform.

Populismus, Parteien, Polarisierung, Gesellschaft, Soziologie, Politisierung, Demokratie und Frieden, Liberales Versprechen, gesellschaftliche Konflikte

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Ora Szekely: Syria Divided. Patterns of Violence in a Complex Civil War

New York, Columbia University Press 2023

Ora Szekely will die Komplexität des Syrienkrieges anhand der Perspektiven der beteiligten Akteure beleuchten und dabei insbesondere die Diskrepanz zwischen den gewaltbegründenden Narrativen und dem tatsächlichen Gewalthandeln der zahlreichen Konfliktparteien in den Blick nehmen. Während es Szekely gelinge, die Gewaltnarrative zu dekonstruieren, indem sie aufzeigt, welche strategischen Kalküle tatsächlich für die „Muster der Gewalt“ verantwortlich seien, vernachlässige ihre Analyse die Rolle von Ideologie und die Konkretisierung der Machtstrukturen in Syrien, kritisiert Rezensent Sascha Ruppert-Karakas.

Gewalt, Syrien, Konfliktursachenforschung, Naher Osten, Konflikte und Krisenprävention, Außen- und Sicherheitspolitik

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Lea Mara Eßer: Vom Schweigen des Guten. Hannah Arendts Theorie der Menschlichkeit

Bielefeld, transcript 2023

Die Frankfurter Sozialphilosophin Lea Mara Eßer befasst sich in ihrem Buch mit der Frage nach dem „Guten“ in der Philosophie Hannah Arendts in Bezug auf ihren Begriff der Menschlichkeit. Unter Rückgriff auf Arendts Konzept der Pluralität wendet sie sich dabei gegen den modernen Individualismus und stellt ihm ein Konzept des Guten entgegen, das nur „zwischen“ den Menschen entstehen könne. In seiner Rezension hebt Bruno Heidlberger die Leistung Eßers hervor, insbesondere die Aktualität Arendts ein weiteres Mal unter Beweis gestellt zu haben.

Freiheit, Pluralismus, Ideengeschichte, Moral, Philosophie, Demokratie und Frieden, Fokus Politikwissenschaft

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Quinn Slobodian: Kapitalismus ohne Demokratie. Wie Marktradikale die Welt in Mikronationen, Privatstädte und Steueroasen zerlegen wollen

Berlin, Suhrkamp 2023

Der Ideenhistoriker Quinn Slobodian nimmt in seinem neuen Buch die real verwirklichten Utopien einer anarchokapitalistischen, antistaatlichen Denkströmung in den Blick, die in Form von Steueroasen und Sonderwirtschaftszonen für eine Wirtschaft frei von staatlichen und demokratischen Einflüssen steht. Lars Döpking lobt in seiner Rezension das Buch sowohl für seine stilistisch äußerst lesenswerte Gestaltung als auch für die inhaltlichen Inspirationen, die es unter anderem mit Blick auf die Erforschung von politökonomischen Größeneffekte von staatlich verfassten Kapitalismen bietet.

Demokratie, Kapitalismus, autoritäter Staat, Wirtschaftspolitik, Marktfundamentalismus, Steuergerechtigkeit, Staatsfeinde, Demokratie und Frieden, Strukturwandel der Gesellschaft

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Stefan Brunnhuber: Freiheit oder Zwang. Wer kann Nachhaltigkeit besser – Offene Gesellschaften oder Autokratien?

München, oekom 2023

Das vorliegende Buch vermag unseren Rezensenten nicht zu überzeugen: Dem Autoren sei es nicht ansatzweise gelungen, den hohen Anspruch des Buches, „ob offene Gesellschaften oder autokratische Systeme gesellschaftliche Großkrisen besser bewältigen können“ einzulösen. In seiner umfassenden Kritik geht unser Rezensent unter anderem auf sprachliche Mängel und vage Begriffe ein – vor allem aber kritisiert er die mangelhafte Begründung der Thesen. So bleibt für unseren Rezensenten trotz der gemeinsamen Sympathie für „offene Gesellschaften“ nicht mehr als ein Eindruck der Ratlosigkeit zurück.

Autokratie, Demokratie, Freiheit, Nachhaltigkeit, Popper, Karl, Demokratie und Frieden, Strukturwandel der Gesellschaft

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Demokratieversuche der Frauenbewegung im Iran

Mahsa Abdolzadeh

Demokratieversuche der Frauenbewegung im Iran. Eine historische Analyse mit Beispielen aus dem 20. Jahrhundert

Hamburg: Verlag Dr. Kovač 2014 (Gender Studies 28); 136 S.; 75,80 €; ISBN 978-3-8300-7837-1
Mahsa Abdolzadeh untersucht, inwieweit Frauen im Iran – einem Land, das permanent „zwischen islamischem Fundamentalismus und Modernisierung“ (9) schwebe – einen Beitrag zu Demokratisierung und Gleichberechtigung haben leisten können: „Der Fokus der Untersuchung richtet sich auf die Frauenbewegungen in den Großstädten, da die Frauen am [sic!] Land unter anderen Verhältnissen leben. Ferner werden hauptsächlich muslimische Frauen untersucht.“ (8) Trotz massiver...weiterlesen

Rezension, Demokratie und Frieden, Repräsentation und Parlamentarismus , Außen- und Sicherheitspolitik

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