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/ 17.06.2013
Wilhelm Heitmeyer / Hans-Georg Soeffner (Hrsg.)

Gewalt. Entwicklungen, Strukturen, Analyseprobleme

Frankfurt a. M.: Suhrkamp 2004 (Kultur und Konflikt; edition suhrkamp 2246); 546 S.; 15,- €; ISBN 3-518-12246-0
In die Debatte über Gewalt ist ersichtlich Bewegung gekommen. Ein Auslöser war der 1997 von Trutz von Trotha herausgegebene Sonderband der Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie („Zur Soziologie der Gewalt"), in dem der bisherigen Gewaltforschung vorgehalten wurde, eine Soziologie von Ursachen und defizitären Rahmenbedingungen zu sein. Eine genuine Soziologie der Gewalt müsse sich demgegenüber methodologisch und konzeptionell - vorzugsweise durch den Ansatz „dichter Beschreibungen" (Geertz) - auf das Phänomen selbst und dessen Modalitäten und Eigendynamik konzentrieren. Mit diesem Perspektivenwechsel (den Jörg Hüttermann und Peter Imbusch kritisch kommentieren) sollte übrigens auch jener - der traditionellen Gewaltforschung unterstellten - Illusion vorgebeugt werden, Gewalt sei lediglich ein Störfall der Zivilisation. Die Beiträge des Sammelbandes führen diese Debatte durch eine theorie- und disziplinenübergreifende Diskussion fort, bei der sowohl bisher ungelöste Analyseprobleme als auch aussichtsreiche Anknüpfungsmöglichkeiten der vermeintlich konträren Perspektiven deutlich werden. Das geschieht teils auf der Ebene konzeptioneller Fragen (so in den Teilen I und II), teils anhand von Analysen spezifischer Gewaltprozesse (III-VI). Darüber hinaus werden die Reichweite und (politische) Anschlussfähigkeit sozialwissenschaftlicher Gewaltforschung thematisiert (VII und VIII). Der Band beruht auf einer in Bielefeld durchgeführten gemeinsamen Tagung des Instituts für interdisziplinäre Konflikt- und Gewaltforschung der Universität Bielefeld und der Sektion „Soziologische Theorien" der Deutschen Gesellschaft für Soziologie. Aus dem Inhalt Wilhelm Heitmeyer / Hans-Georg Soeffner: Einleitung: Gewalt. Entwicklungen, Strukturen, Analyseprobleme (11-17) I. Zur Situation: Begriffe, Faszination und Zukunft von Gewalt Gertrud Nunner-Winkler: Überlegungen zum Gewaltbegriff (21-61) Hans-Georg Soeffner: Gewalt als Faszinosum (62-85) Wilhelm Heitmeyer: Kontrollverluste. Zur Zukunft der Gewalt (86-103) II. Vergleich von Analyseparadigmen Jörg Hüttermann: ‚Dichte Beschreibungen' oder Ursachenforschung der Gewalt? Anmerkungen zu einer falschen Alternative im Lichte der Problematik funktionaler Erklärungen (107-124) Peter Imbusch: ‚Mainstreamer' versus ‚Innovateure' der Gewaltforschung. Eine kuriose Debatte (125-148) III. Sozialwissenschaftliche Ansätze: Strukturen und Prozesse Markus Schroer: Gewalt ohne Gesicht. Zur Notwendigkeit einer umfassenden Gewaltanalyse (151-173) Martin Endreß: Entgrenzung des Menschlichen. Zur Transformation der Strukturen menschlichen Weltbezugs durch Gewalt (174-201) Albert Scherr: Körperlichkeit, Gewalt und soziale Ausgrenzung in der ‚postindustriellen Wissensgesellschaft' (202-223) IV. Gewaltanalysen in vergleichender Perspektive Ekkart Zimmermann: Zur Bedeutsamkeit politischer Gewalt und ihrer Erklärungsfaktoren (227-245) Peter Waldmann: Zur Asymmetrie von Gewaltdynamik und Friedensdynamik am Beispiel von Bürgerkriegen und bürgerkriegsähnlichen Konflikten (246-265) V. Gesellschaftsvergleiche: Theorien zur Gewalt in kollektivierten und individualisierten Kontexten Susanne Karstedt: Typen der Sozialintegration und Gewalt: Kollektivismus, Individualismus und Sozialkapital (269-292) Rainer Strobl / Wolfgang Kühnel: Stimmt die These vom Zusammenhang zwischen kollektivistischen Werten und Gewalt? Theoretische Überlegungen und empirische Analysen am Beispiel von Aussiedlerjugendlichen (293-312) VI. Gewalt in historischen Prozessen Helmut Thome: Theoretische Ansätze zur Erklärung langfristiger Gewaltkriminalität seit Beginn der Neuzeit (315-345) Jan Philipp Reemtsma: Gewalt. Monopol, Delegation, Partizipation (346-361) Herfried Münkler: Clausewitz und die neuen Kriege. Über Terrorismus, Partisanenkrieg und die Ökonomie der Gewalt (362-380) VII. Ist sozialwissenschaftliche Gewaltforschung überflüssig? Peter Meyer: Grundlagen menschlicher Gewaltbereitschaft. Beiträge evolutionärer Forschung (383-410) Harald A. Euler: Die Beitragsfähigkeit der evolutionären Psychologie zur Erklärung von Gewalt (411-435) Georg Elwert: Biologische und sozialanthropologische Ansätze in der Konkurrenz der Perspektiven (436-482) VIII. Sind Gewalttheorien sinnlos und ist Politikberatung folgenlos? Günter Albrecht: Sinn und Unsinn der Prognose von Gewaltkriminalität (475-524) Roland Eckert / Helmut Willems: Gewaltforschung und Politikberatung. Die Kommissionen (525-544)
Thomas Mirbach (MIR)
Dr., wiss. Mitarbeiter, Lawaetz-Stiftung Hamburg, Lehrbeauftragter, Institut für Politische Wissenschaft, Universität Hamburg.
Rubrizierung: 2.252.232.354.41 Empfohlene Zitierweise: Thomas Mirbach, Rezension zu: Wilhelm Heitmeyer / Hans-Georg Soeffner (Hrsg.): Gewalt. Frankfurt a. M.: 2004, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/15489-gewalt_17651, veröffentlicht am 01.01.2006. Buch-Nr.: 17651 Rezension drucken
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