/ 17.06.2013
Michael Schwab-Trapp
Kriegsdiskurse. Die politische Kultur des Krieges im Wandel 1991-1999
Opladen: Leske + Budrich 2002; 397 S.; kart., 29,80 €; ISBN 3-8100-3386-3Habilitationsschrift Hagen. - "In den Diskursen über den Krieg am Golf 1991 und in Jugoslawien wird die Tabuisierung des Krieges aufgehoben, die die deutsche politische Kultur seit 1945 ausgezeichnet hat." (11) Diese Hypothese will der Soziologe Schwab-Trapp verifizieren. Mittels empirischer Analyse sollen dabei Bausteine für eine Analyse politisch-kultureller Wandlungsprozesse entwickelt werden. Theoretisches Ziel ist es, "ein allgemeines Modell für eine diskursanalytisch vergleichende Untersuchung kultureller Wandlungsprozesse zu entwerfen" (16). Nach einem kurzen Abriss über neue Entwicklungen in der Forschung zum Bereich der politischen Kultur gibt Schwab-Trapp seine Definition: Demnach ist "die politische Kultur einer Gesellschaft primär als ein historisch gewachsenes Ensemble politischer Diskurse zu begreifen, das in Konflikten erzeugt wird, in denen die Akteure dieser Auseinandersetzungen um eine angemessene Interpretation politischer Handlungszusammenhänge kämpfen" (28). Um diese Auseinandersetzungen analysieren zu können, entwickelt der Autor Bausteine für eine Diskursanalyse. Ein wichtiges Element, das neben anderen genannt wird, ist dabei beispielsweise die Basiserzählung, mit der eine Gesellschaft ihre soziale, politische und kulturelle Ordnung rechtfertigt (49). Bis zur Vereinigung beider deutscher Staaten galt für die Bundesrepublik als Teil der Basiserzählung das Gebot der militärischen Selbstbeschränkung als Erbe der nationalsozialistischen Vergangenheit. Während des Golfkriegs 1991 werden die Fronten zwischen den Gegnern und Befürwortern militärischer Interventionen brüchig (102). Es wird deutlich, in welche Richtung sich die politische Kultur des Krieges bewegt: Unter anderem wird die Basiserzählung zu einem Argument für eine deutsche Beteiligung an militärischen Interventionen umgeschrieben. Schwab-Trapp zeichnet anhand der Daten, zu denen Bundestagsprotokolle und Presseartikel in großen Tages- und Wochenzeitungen gehören, nach, wie spätestens nach dem Massaker von Srebrenica die militärische Intervention zur humanitären Intervention wird. Eine Befürwortung wird so zum Eintreten für eine Politik der Menschenrechte (197). In den Bundestagsdebatten 1998 vor Beginn des Kosovo-Krieges wird dann die deutsche Basiserzählung diskursiv mit der Zukunft Europas verknüpft (261). Außerdem stilisiert sich der Diskurs über die Legitimät militärischer Interventionen als Bestandteil eines Modernisierungs- und Globalisierungsdiskurses (282). Während Deutschland seinen Sonderweg endgültig verlassen hat, so Schwab-Trapp, hat die Friedensbewegung die historischen Zäsuren, die mit dem Ende des Kalten Krieges und der Vereinigung Deutschlands einhergingen, verschlafen "und wurde folgerichtig von der Geschichte überrollt." Das Fazit ist eindeutig: "Die Friedensbewegung ist tot" (325).
Inhaltsübersicht: I. Politische Kultur, Diskurs, Legitimität; II. Instrumente der Diskursanalyse; III. Methodische Aspekte der Diskursanalyse; IV. Der Golfkrieg: Erste Risse im antimilitaristischen Konsens; V. Deutsche Tornados in Jugoslawien; VI. Srebrenica - Ein konsensbildendes Ereignis? VII. Die Diskussion über den deutschen IFOR-Einsatz; VIII. Parlamentarisches Vorspiel zum Kosovokrieg; IX. Der Kosovokrieg; X. Diskursive Karrieren.
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.35 | 4.41 | 4.21
Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Michael Schwab-Trapp: Kriegsdiskurse. Opladen: 2002, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/16626-kriegsdiskurse_19100, veröffentlicht am 01.01.2006.
Buch-Nr.: 19100
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Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
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