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/ 30.05.2013
Slavoj Žižek

Das Jahr der gefährlichen Träume. Aus dem Englischen von Karen Genschow

Frankfurt a. M.: S. Fischer 2013 (Wissenschaft); 221 S.; 2. Aufl.; geb., 19,99 €; ISBN 978-3-10-092593-0
Die Träume des Jahres 2011 sind doppelt gefährlich: Als Emanzipation und als Destruktion, die sich in den Ereignissen um den Arabischen Frühling, die Occupy‑Bewegung und den rechtspopulistischen Exzess eines Anders Breivik mobilisierten, sind sie Gefahr für die herrschende Ideologie; andererseits scheinen sie gefährlich schnell ihre erschütternde Dimension zu verlieren und damit eben dieser Ideologie wieder anheim zu fallen. Der Philosoph und Kulturkritiker Slavoj Žižek interveniert daher mit der Frage, „wie wir ein System bekämpfen können, ohne sein Funktionieren dabei noch zu verbessern“ (10). Sein Plädoyer für eine tiefgreifende Analyse und gegen einen drängenden Aktivismus führt direkt zum Kern der herrschenden Ideologie, die seiner Ansicht nach eine systemisch notwendige Verzerrung im Bewusstsein hervorbringt, der es sich zu widersetzen gilt. So ist es Žižeks Bestreben zu zeigen, wie die Ereignisse von 2011 mit dem zentralen Widerspruch des zeitgenössischen Kapitalismus zusammenhängen. Um über „die Antwort des archetypischen europäischen linksliberalen Trottels“ (26) hinauszugelangen, müssen die naiven Fehlinterpretationen beiseite geräumt werden. Diese leugnen den systemischen Widerspruch des Kapitalismus, der sich als ontologischer Klassenkampf einschreibt – durch die Determinanz des Ökonomischen als letzte Ursache. Der wahrhaft politische Akt wird darin durch „die Distanz der Ökonomie von sich selbst“ (46) begründet und führt direkt auf das Dilemma der Ideologie zurück. Demnach müsse der Weg über diesen universalistischen Kampf führen, einem, der den Verlockungen liberaler Toleranz, ethnischer oder kultureller Pluralität oder schlimmer konservativen und rechtspopulistischen Essentialismen widersteht. Mit diesem Ziel geht es zurück zu den Unruhen in England, deren Gewaltexzess „die Wahrheit unserer ‚post‑ideologischen Gesellschaft‘ in Szene […]setzt“ (95); dem Arabischen Frühling, dessen emanzipatorischer Kern durch westlichen Zynismus und fundamentale Vereinnahmung unterminiert zu werden droht; und Occupy Wall Street, deren eigentliche Leistung das „Vakuum im Feld der hegemonialen Ideologie“ (125) ist. Für Žižek ergibt sich daraus eine Spurensuche nach „Zeichen, die paradoxerweise dem vorausgehen, für das sie Zeichen sind“ (191) und uns gerade darin von einer kommenden Zukunft träumen lassen – die immer gefährlich ist.
Alexander Struwe (AST)
B. A., Politikwissenschaftler, Student, Goethe-Universität Frankfurt am Main.
Rubrizierung: 5.422.22.222.234.45 Empfohlene Zitierweise: Alexander Struwe, Rezension zu: Slavoj Žižek: Das Jahr der gefährlichen Träume. Frankfurt a. M.: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/247-das-jahr-der-gefaehrlichen-traeume_43797, veröffentlicht am 23.05.2013. Buch-Nr.: 43797 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken
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