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/ 08.10.2015
Jens Eisfeld

Erkenntnis, Rechtserzeugung und Staat bei Kant und Fichte

Tübingen: Mohr Siebeck 2015; IX, 467 S.; brosch., 74,- €; ISBN 978-3-16-152743-2
Rechtswiss. Habilitationsschrift Bayreuth; Begutachtung: D. Klippel, H. F. Klemme, H.‑C. Kraus. – Jens Eisfeld begründet die Notwendigkeit seiner Schrift mit „einer grundsätzlichen Kritik an weiten Teilen der Kant‑ und Fichte‑Forschung, die sich sowohl gegen deren Methode als auch gegen deren Ergebnisse wendet. Mit der Betonung fundamentaler Diskrepanzen zwischen Kant und Fichte steht die vorliegende Studie quer zur einschlägigen Sekundärliteratur“ (427). Dass Eisfeld seinem eigenen Anspruch gerecht wird, liegt an seiner akribischen Vorgehensweise – wie ein Archäologe, der mit dem Pinsel die Sandschichten abträgt, die sich auf einem kostbaren Fundstück abgelagert haben, arbeitet er sich durch die Literatur zurück zu den Ausführungen beider Philosophen. Daher reflektiert er zunächst philosophiehistorisch die Kant‑Forschung, wobei vor allem die Umdeutung zentraler Aussagen Kants in den Vordergrund gerückt wird – Eisfeld sieht in der Forschung eine lange Tradition der Umdeutung Kants (angefangen bei Fichte selbst), auch in der angloamerikanischen Literatur. Als von zentraler Bedeutung benennt er die „Umwandlung der Zweiweltenlehre in eine Einwelttheorie“, der „Systembau“ von Kants Theorie werde damit „insgesamt aus den Angeln gehoben“ (62). Schon bald ist nicht mehr zu überlesen, dass Fichte – entgegen des eigenen Anspruches – wohl kaum als Vollender der Philosophie Kants zu verstehen ist. Was Kant tatsächlich im Kontext von „Erkenntnis, Rechtserzeugung und Staat“ an Theorie entwickelt hat, entfaltet Eisfeld im zweiten Teil, der sich zugleich als gute und anspruchsvolle Einführung zum Thema liest. Deutlich werden die Kernelemente von Kants Philosophie, mit der der Mensch als erkennendes Subjekt zum Handelnden wird, eben weil es eine „Unerkennbarkeit der Dinge an sich“ (177) gibt. „Erst die Zweiweltenlehre macht die menschliche Rechtserkenntnis von den Vorgaben des positiven Rechts unabhängig.“ (252) Statt in diesem Sinne weiterzudenken, delegitimiert Fichte – wie Eisfeld im folgenden Kapitel ausführlich erläutert und belegt – die individuelle Erkenntnis, indem er die „Erkenntnisstiftung auf ein überindividuelles Absolutes“ (323) verlagert. Aufgehoben wird damit nichts weniger als Kants „Überzeugung von der bewussten Gestaltbarkeit des staatlichen Gemeinwesens“ sowie die von der „Existenz unveräußerlicher Menschenrechte“ (439). Fichte sei ein Beispiel dafür, so das eindrucksvolle Fazit, wie „die Übernahme der Begrifflichkeit Kants […] gerade einer antikantischen und antiliberalen Weltanschauung dazu dienen kann, sich philosophisch adäquat auszudrücken“ (440).
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Rubrizierung: 5.33 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Jens Eisfeld: Erkenntnis, Rechtserzeugung und Staat bei Kant und Fichte Tübingen: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/38954-erkenntnis-rechtserzeugung-und-staat-bei-kant-und-fichte_47267, veröffentlicht am 08.10.2015. Buch-Nr.: 47267 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken
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