Hitler sei immer klar gewesen, dass der Weg zur Macht in Deutschland ausschließlich über Berlin führe, schreibt Kellerhoff. Mit seiner Schilderung des stets ambivalenten Verhältnisses des Diktators zur Hauptstadt will der Publizist zwar späteren wissenschaftlichen Arbeiten zum Thema nicht vorgreifen; ihm ist aber an der Schnittstelle zum Populärwissenschaftlichen eine durchaus gründliche Studie gelungen, in die der neueste Stand der Forschung eingeflossen ist, einige Legenden richtig gestellt und zahlreiche Gemeinplätze auf ihren Realitätsgehalt hin überprüft werden. Kellerhoff hat sein Buch nicht als Hitler-Biografie angelegt, sondern stellt die Geschichte der NSDAP, ihre anfangs ausbleibenden Wahlerfolge und ihre internen Konflikte sowie die Zeit nach 1933 aus der Berliner Perspektive dar. Thematisiert werden u. a. die Olympischen Spiele, die Pläne für die Hauptstadt „Germania“ sowie die Bombenangriffe der Alliierten. Ausführlich beschäftigt sich Kellerhoff mit der Verfolgung der Berliner Juden und überprüft die Frage, ob Berlin - wie so oft behauptet – die Hauptstadt des Widerstandes gewesen sei. Das Ergebnis fällt mager aus: Zwar habe sich der Widerstand in Berlin gebündelt, aber eben nur, weil es die Hauptstadt des Deutschen Reiches gewesen sei. Abgesehen von den Einzelfällen, in denen mutige Berliner Verfolgten halfen, sei aber kaum nennenswert Zivilcourage oder gar Widerstand gezeigt worden. Auf der Basis der vorhandenen Zahlen und einer dazu gerechneten Dunkelziffer kommt Kellerhof plausibel „auf weniger als ein Prozent ‚Widerständler‘ im weiteren Sinne in Berlin“ (173). Alles in allem charakterisiert der Autor das Verhältnis zwischen Hitler und den Berlinern, die durchaus begeistert von ihrer (inszenierten) neuen Bedeutung gewesen seien, „als eine beidseitige Hassliebe“ (200).