/ 09.10.2014

Dirk Kurbjuweit
Alternativlos. Merkel, die Deutschen und das Ende der Politik
München: Carl Hanser Verlag 2014; 288 S.; geb., 19,90 €; ISBN 978-3-446-24620-1Für Politikwissenschaftler, für die die tägliche Zeitungslektüre und das Verfolgen der allgemeinen Nachrichtenlage selbstverständlich sind, dürfte der Band von Dirk Kurbjuweit kaum ergiebig sein. Da hat Karlheinz Niclauß mit seiner Monografie „Kanzlerdemokratie“ (siehe Buch‑Nr. 22897, erste Ausgabe: 1988) andere Maßstäbe gesetzt. Dabei ist das Ziel von Kurbjuweit ambitioniert. Er will „Merkels Kanzlerschaft in ihren Eigentümlichkeiten beschreiben, aber auch in den Traditionen, in den[en] sie steht oder mit denen sie bricht“ (8). Die subkutane These ist dabei, dass sich die Erwartungshaltungen der Bevölkerung mit dem Führungsstil der Kanzlerin decken und sich so ihr Erfolg erklären lässt. Das Buch ist „nicht enzyklopädisch“ konzipiert und versteht sich als eine „Erzählung aus der Politik“ (9). Dies muss per se nicht schlecht sein, denn gerade Anekdoten, die aus einer journalistischen Nähe heraus erzählt werden, können mit Blick auf die Denk‑ und Handlungsweise von politischen Akteuren erhellend sein. Allerdings ist es der zum Teil weit ausholende chronologische Ansatz zu einzelnen Kanzlerschafts‑Merkmalen, der – weil auch wenig Neuigkeiten liefernd – doch ziemlich ermüdend ist und wenig zur Aufklärung über Angela Merkel beiträgt. Kurbjuweit beschreibt die einzelnen Merkmale, indem er stets alle bisherigen Kanzler durchgeht, um dann zu so banalen Feststellungen zu gelangen, dass Gerhard Schröder ein „Bratwursttyp“ (52) gewesen sei. So braucht Kurbjuweit sehr viele Seiten, ehe er sich zum ersten Mal überhaupt ausführlicher mit seiner Protagonistin befasst. Seine Stärke hat das Buch dort, wo der Autor aus dem Nähkästchen über das Verhältnis zwischen Journalisten und Politikern plaudert und Fragen von Inszenierung und Authentizität in der Politik problematisiert. Seinen zum Teil sehr negativen Einschätzungen muss man dabei nicht immer folgen. Prägnant sind auch Kurbjuweits Ausführungen zu Merkels Führungsstil. Diesen charakterisiert er mit den Termini „Situationismus. Folgsamkeit. Stille. Langeweile. Indolenz. Losgelöstheit“ (149). Daraus ergebe sich ein „Machtparadox“, wonach sie „so mächtig“ sei, „weil sie ihre Macht nicht einsetzt, und damit wiederum“ (151) nicht mächtig sei. Solche Feststellung kontrastiert er – insbesondere zum Ende – mit Beobachtungen zu allgemeinen gesellschaftlichen Phänomenen und den Einstellungen der Bevölkerung, die auf gewisse Veränderungen in der Diskurs‑ und Partizipationsbereitschaft der Deutschen hinweisen. Merkel hingegen falle ganz bewusst als „Impulsgeberin“ (280) aus, initiiere keinen Diskurs. Ob sie mit dieser Unterdrückungsstrategie deshalb „alternativlos“ (282) gewesen ist, könnte nur in einer Analyse des politisch‑institutionellen Gesamttableaus beurteilt werden.
Henrik Scheller (HS)
Dr. phil., Dipl.-Politologe, wiss. Mitarbeiter, Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät, Lehrstuhl Politik und Regieren in Deutschland und Europa, Universität Potsdam.
Rubrizierung: 2.3 | 2.35 Empfohlene Zitierweise: Henrik Scheller, Rezension zu: Dirk Kurbjuweit: Alternativlos. München: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/37658-alternativlos_46140, veröffentlicht am 09.10.2014. Buch-Nr.: 46140 Inhaltsverzeichnis Rezension druckenDr. phil., Dipl.-Politologe, wiss. Mitarbeiter, Wirtschafts- und Sozialwissenschaftliche Fakultät, Lehrstuhl Politik und Regieren in Deutschland und Europa, Universität Potsdam.
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