Skip to main content
Aus der Annotierten Bibliografie / 11.12.2017

Herausforderungen der repräsentativen Demokratie. Krisendiagnosen im Spiegel der Literatur

Als deutliche Anzeichen dafür, dass die repräsentative Demokratie in eine Schieflage geraten ist, werden eine geringe Wahlbeteiligung, ein anhaltender Mitgliederschwund in den großen Parteien und eine allgemeine Unzufriedenheit mit den politischen Institutionen herausgestellt. Hinzu kommen allgemeine Entwicklungen und Trends wie die Globalisierung, der Wandel der Medien oder die Individualisierung von Lebenslagen, die einer politischen Partizipation und damit einer angemessenen Repräsentation im Wege stehen.

Annotierte Bibliografie der Politikwissenschaft. © Portal für Politikwissenschaft

 

Als deutliche Anzeichen dafür, dass die repräsentative Demokratie in eine Schieflage geraten ist, werden eine geringe Wahlbeteiligung, ein anhaltender Mitgliederschwund in den großen Parteien und eine allgemeine Unzufriedenheit mit den politischen Institutionen herausgestellt. Hinzu kommen allgemeine Entwicklungen und Trends wie die Globalisierung, der Wandel der Medien oder die Individualisierung von Lebenslagen, die einer politischen Partizipation und damit einer angemessenen Repräsentation im Wege stehen. Eine differenzierte Analyse von Krisenerscheinungen, wie sie die Autorinnen und Autoren in dem von Wolfgang Merkel herausgegebenen Band „Demokratie und Krise. Zum schwierigen Verhältnis von Theorie und Empirie“ vorlegen, zeigt zwar, dass sich die demokratische Qualität nicht dramatisch verschlechtert hat, wohl aber in allen Dimensionen der embedded democracy Erosionserscheinungen festzustellen sind. Insbesondere „haben Institutionen und politische Eliten nicht verhindert, dass sich die zunehmende soziale Ungleichheit immer stärker in politische Ungleichheit transformiert“, heißt es in der Rezension. Um soziale Prozesse als Ursache für die Krise der Repräsentation und die damit verbundenen Zusammenhänge mit sozialer Ungleichheit und mangelnder Partizipation geht es in zwei von Markus Linden und Winfried Thaa herausgegebenen Sammelbänden, die aus dem Sonderforschungsbereich 600 „Fremdheit und Armut“ an der Universität Trier hervorgegangen sind. Dass sich über die vordergründigen Indizien hinaus noch weitere Problemlagen erörtern lassen, zeigen die weiteren in Kurzrezensionen vorgestellten, alphabetisch sortierten, Studien.


CC-BY-NC-SA
Neueste Beiträge aus
Repräsentation und Parlamentarismus

Lektüre

Samuel Issacharoff
Die Defizite der Demokratie
Der Staat, 3/2017: 329-355.

André Schmiljun / Volker Thiel
Schelling und die Antipolitische Moderne. Ist die Parlamentarische Demokratie in Gefahr?
Berlin, Logos Verlag 2017

 

Henk Botha /Nils Schaks / Dominik Steiger
Das Ende des repräsentativen Staates? Demokratie am Scheideweg – The End of the Representative State? Democracy at the Crossroads
Eine Deutsch-Südafrikanische Perspektive – A German-South African Perspective
Baden-Baden, Nomos 2016

 


Aus der empirischen Forschung

Rachel Kleinfeld / Richard Youngs /Jonah Belser
Renewing U.S. Political Representation: Lessons From Europe and U.S History
Carnegie Endowment for International Peace, 12. März 2018

In dieser Studie werden verschiedene Optionen für eine demokratische Erneuerung in den USA beleuchtet. Vor dem Hintergrund der Erfahrungen in Europa könnten – anstelle der Etablierung einer dritten Partei – lokal verankerte Bewegungen, die die politische Wettbewerbsfähigkeit wiederbeleben, einen Weg nach vorn weisen.

 

Rainbow Murray
Von Frauen für Frauen? Was ist dran an dem Klischee, dass sich Frauen in der Politik auch für Frauenbelange einsetzen?
IPG Journal, 19. Februar 2018

Frauen sind in der Politik unterrepräsentiert, sie werden mehrheitlich von Männern vertreten. Abgesehen von einigen wenigen männlichen Fürsprechern gibt es „zahlreiche Belege dafür, dass die Bedürfnisse von Frauen übersehen, missverstanden und manchmal sogar aktiv unterdrückt werden, wenn Frauen nicht an Entscheidungsprozessen beteiligt sind“, schreibt Rainbow Murray, Politikprofessorin an der Queen Mary University in London. Zudem zeige sich, dass Frauen sich tatsächlich für Belange von Frauen einsetzen. Murray warnt jedoch vor zu hohen Erwartungen an weibliche Abgeordnete, da sie einer Vielzahl von Sachzwängen unterliegen. „Ein Kampf für Frauenrechte ist nicht immer möglich und manchmal wird er auch übersehen.“ Zudem dürfen Männer nicht aus der politischen Verantwortung für die Gleichstellung der Geschlechter entlassen werden.

 

Tanya Shoshan
Doch lieber einen starken Führer?
Weltweit ist nur ein Fünftel eindeutig von der repräsentativen Demokratie überzeugt.
IPG-Journal 26. Oktober 2017

Tanya Shoshan betrachtet die Ergebnisse einer Erhebung zur Einstellung gegenüber der Demokratie, die das Pew Research Center in 38 Ländern durchgeführt hat. Danach gibt es zwar eine allgemein breite Befürwortung der Demokratie. Jedoch stoßen undemokratische Herrschaftsformen damit nicht automatisch auf Ablehnung, sondern finden in weiten Kreisen deutlichen Zuspruch – für die Autorin ein dringender „Anlass für Wachsamkeit“.


Datenreport

International IDEA (Hg.)
The Global State of Democracy. Exploring Democracy’s Resilience
Stockholm, International Institute for Democracy and Electoral Assistance 2017

Diese als zweijährlicher Bericht konzipierte Publikation bietet einen Überblick über den globalen Zustand der Demokratie. Auf der Grundlage eines von International IDEA neu entwickelten Indikatorensets (GSoD-Indices) werden 155 Länder über den Zeitraum von 1975 bis 2015 analysiert und eine vielfältige Datenbasis für weitere Analysen zur Verfügung gestellt. Die Indizes zeigen einerseits, dass sich über den gesamten Zeitraum die Demokratie zwar weiterentwickelt hat, andererseits seit 2002 in einigen Regionen deutliche Qualitätseinbußen zu verzeichnen sind. Eine Tendenz in Richtung Fort- oder Rückschritt sei derzeit nicht erkennbar. Es erfordere daher den Einsatz aller – politischer Institutionen wie zivilgesellschaftlicher Kräfte und jeder und jeden Einzelnen – die Demokratie zu stärken und gegen antidemokratische Einflüsse zu verteidigen. Auf der Website des Instituts ist der Bericht in verschiedenen Versionen abrufbar.



zum Thema
Demokratie gestalten – zum Verhältnis von Repräsentation und Partizipation