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/ 17.06.2013
Franz Walter

Im Herbst der Volksparteien? Eine kleine Geschichte von Aufstieg und Rückgang politischer Massenintegration

Bielefeld: transcript 2009 (xtexte); 132 S.; 14,80 €; ISBN 978-3-8376-1141-0
Der in Göttingen lehrende Politikwissenschaftler Walter zeichnet in diesem Essay den gegenwärtigen, durchaus prekären Zustand der beiden Volksparteien nach. Verglichen mit seiner 2000 gemeinsam mit Tobias Dürr publizierten Diagnose („Die Heimatlosigkeit der Macht“ [siehe ZPol-Nr. 14040]) hat sich der Erosionsprozess dieser Form politischer Massenintegration beschleunigt. Beide Parteien verlieren kontinuierlich Mitglieder, Wähler und Reputation und sind aus sich heraus nicht mehr mehrheitsfähig. Bei zunehmender Diffusion in der Programmatik konzentrieren sie sich auf das Geschäft der Elitenrekrutierung und registrieren eher hilflos, dass sich „sowohl die neuökonomischen Eliten als auch das ‚neue Unten’ aus Langzeitarbeitslosen und Sozialhilfeempfängern teils gleichgültig, teils auch aggressiv-verächtlich vom Betrieb der Parteien abwandten“ (10). Gut lesbar und sehr anschaulich beschreibt Walter zunächst, wie CDU und SPD nach 1949 die sie tragenden Milieus ideologisch an sich gebunden und deren Interessen wirkungsvoll in der politischen Agenda verankert haben. Beide Parteien sind seit Jahren mit Prozessen der gesellschaftlichen Modernisierung konfrontiert – Auflösung der großen Lager, Entmischung der kulturellen Milieus, steigende Individualisierung von Lebensentwürfen. Weder CDU noch SPD – so Walters Fazit – haben bisher programmatisch überzeugende Antworten auf die Herausforderungen der globalisierten Ökonomie gefunden, die nicht nur die Abstiegsängste ihrer Klientel berücksichtigen, sondern zugleich realistische Teilhabemöglichkeiten für das neue Prekariat eröffnen. Dieses Funktionsdefizit der Volksparteien als Institutionen politischer Massenintegration können auch zivilgesellschaftliche Akteure nicht schließen, beschränkt sich doch deren Rekrutierungsbasis zu sehr auf die integrierten Mittelschichten. So erweist sich der „Herbst der Volksparteien“ als Dilemma einer Situation, die einen starken, zur robusten Umverteilung von oben nach unten fähigen Staat erfordert, in der es aber zugleich an politischen Akteuren fehlt, die die dafür notwendigen Mehrheiten organisieren könnten.
Thomas Mirbach (MIR)
Dr., wiss. Mitarbeiter, Lawaetz-Stiftung Hamburg, Lehrbeauftragter, Institut für Politische Wissenschaft, Universität Hamburg.
Rubrizierung: 2.3312.3 Empfohlene Zitierweise: Thomas Mirbach, Rezension zu: Franz Walter: Im Herbst der Volksparteien? Bielefeld: 2009, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/14821-im-herbst-der-volksparteien_36290, veröffentlicht am 02.09.2009. Buch-Nr.: 36290 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken
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