/ 04.06.2013

Ulrich Sander
Szenen einer Nähe. Vom großen RechtsUm bei der Bundeswehr
Bonn: Pahl-Rugenstein Nachfolger 1998; 159 S.; 19,90 DM; ISBN 3-89144-258-0Sander ist Journalist, Mitarbeiter des Pressebüros "Nachrichten gegen den Rassismus" und Landessekretär der "Vereinigung der Verfolgten des Naziregimes/Bund der Antifaschistinnen und Antifaschisten". Daß in einem sensiblen Bereich wie der Militär- und Sicherheitspolitik das Augenmerk auch auf den politischen Anschauungen oder Traditionen der deutschen Streitkräfte liegen muß, gehört zu den Grundtatsachen deutscher Militärgeschichte seit 1945. Die von Sander präsentierten Beobachtungen stören zweifellos das Bild einer demokratisch orientierten Bundeswehr - etwa die Einladung des Rechtsradikalen Roeder an die Führungsakademie der Bundeswehr oder das unverständliche Festhalten an Namenspatronen verschiedener Kasernen, die sich als stramme Nationalsozialisten ausgewiesen haben. Ebenso mag die rückwärtsgewandte Weltsicht mancher hoher Offiziere das Offizierkorps in den Ruf bringen, ein Hort von Militaristen und Verteidigern der Wehrmachtstradition zu sein. Und wie Sander zeigt, sind diese Traditionen nicht nur in der Bundeswehr zu finden, sondern auch in der Öffentlichkeit. Aber es ist doch die Frage, ob mit dem "Instrumentarium" von pauschalen Verurteilungen tatsächlich ein "Rechtsum" in der Bundeswehr identifiziert werden kann. Sanders mitunter journalistisch salopp geschriebenes Buch gerät zu einer ideologischen Streitschrift, die leider nur von ihrer perspektivischen Verzerrung und Verengung lebt.
Inhaltsübersicht: 1. Die Rüstungsindustrie berät sich mit der Bundeswehr - Mit gut ausgerüsteten Schutztruppen und "waffenbereiten" Bürgern überall dabei; 2. Frohe Kunde für Potsdam aus dem Sauerland: Die Garnisonskirche kommt wieder - die Glocken bimmeln schon; 3. Pfingsten im Werdenfelser Land: Ewige Werte des Soldatischen. Ob Hakenkreuz oder Edelweiß - das große Wort heißt "Kameradschaft"; 4. Woher kommt die Gewalt? - Eine neue Militärkonzeption - und noch mehr Rechtsextremismus; 5. Alte und neue Nazis immer dabei - Sammelbecken der ultrarechten Krieger; 6. Einige altmodische Bemerkungen über den wahren Inhalt der UNO-Charta und des Grundgesetzes. Es darf von Verfassungsbruch gesprochen werden; 7. Die "Krisenreaktionskräfte" - Eliten sind wieder da - und singen Görings Lieblingslied; 8. Roeder rödelt für Deutsche Bank und deutsche Wehr. Der Drang der Bundeswehr nach rechts und nach Osten; 9. Immer wieder die Gebirgstruppe! - Minister Rühe und seine völkischen Lieblingssoldaten; 10. Der Wüstenfuchs geriet unter schlimmen Verdacht - Warum Erwin Rommel und Werner von Fritsch nicht länger Vorbild der Bundeswehr sein sollten; 11. Wofür sorgt die Militärseelsorge? - Vom Kreuz mit dem Hakenkreuz: Die Tradition des Hirten vom Berge; 12. Heusinger verehren oder ausgrenzen? Dann lieber verehren. - So hält es die Bundeswehr mit der Tradition und dem Vernichtungskrieg; 13. Spezialkräfte in der Dichterstadt - Kommando für den Krieg; 14. Interview mit Helmuth Prieß, Oberstleutnant a. D., Sprecher des Arbeitskreises "Darmstädter Signal" - Von der "moralischen Wende rückwärts"; 15. Was verbirgt sich hinter Namen von Kasernen und anderen Gebäuden der Bundeswehr? - Eine Dokumentation; 16. Schlußbemerkung - Braune Traditionen und großdeutsche Praxis prägen Rühes Truppe.
Axel Gablik (AG)
Dr., Historiker.
Rubrizierung: 2.324 | 2.35
Empfohlene Zitierweise: Axel Gablik, Rezension zu: Ulrich Sander: Szenen einer Nähe. Bonn: 1998, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/6211-szenen-einer-naehe_8443, veröffentlicht am 01.01.2006.
Buch-Nr.: 8443
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Dr., Historiker.
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