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/ 22.06.2013
Niklas Luhmann

Macht im System. Hrsg. von André Kieserling

Frankfurt a. M.: Suhrkamp 2012; 156 S.; 24,95 €; ISBN 978-3-518-58573-3
Luhmann hat sich schon früh – und dabei durchgängig in deutlicher Abgrenzung zur Sichtweise der Politikwissenschaft – mit dem Phänomen der Macht auseinandergesetzt. Bereits der 1969 erschienene Aufsatz „Klassische Theorie der Macht: Kritik ihrer Prämissen“ (Zeitschrift für Politik) enthielt eine Dekonstruktion zentraler Begriffe der politischen Theorie, die Luhmann – dann im Rahmen einer Theorie symbolischer Kommunikationsmedien – in der Monografie „Macht“ (Stuttgart 1975) fortsetzte. Dieser nun von André Kieserling herausgegebene Text stammt aus dem Nachlass und ist vermutlich Ende der 1960er-Jahre entstanden. Auffällig ist die fast schon biografisch zu nennende Erläuterung der Motivlage bei der Entstehung des Textes. Wie etliche andere habe auch Helmut Schelsky in der Systemtheorie eine Machtblindheit vermutet; diesen Einwendungen – so formuliert Luhmann explizit – soll die Studie begegnen. Dabei enthält schon der Titel das Theorieprogramm: Macht kann nur systemrelativ, nicht essentialistisch konzeptualisiert werden. Systematisch setzt Luhmann – ähnlich wie in dem Aufsatz von 1969 – bei den Aporien der klassischen Machttheorie an. Deren Prämissen – also Macht als Handlungsursache, Konstanz der Machtsumme, Transitivität der Machtbeziehungen, Konfliktorientierung, Macht als besitzbares Gut – sind jeweils für sich der Kritik ausgesetzt, dass sie einerseits von einem simplifizierten Kausalitätsverständnis ausgehen und andererseits die mit Macht verknüpften Selektionsleistungen immer schon voraussetzen, „statt sie zum Problem zu machen“ (46). Luhmann setzt dagegen seine Konzeption, die die Anwendung von Macht als Problem der Übertragung von Selektion versteht: „Nicht daß etwas (schon Gewolltes) bewirkt wird, sondern wie ausgewählt wird, was bewirkt wird und wie diese Auswahl intersubjektiv konstant gehalten werden kann, steht im Mittelpunkt ihres Interesses.“ (116) In dieser frühen, auch für Kenner des Werks anregenden Schrift lautet Luhmanns Antwort: Komplexe Gesellschaften können derartige Selektionsleistungen nur über die Ausdifferenzierung von Systemen und die damit gegebenen Chancen einer Generalisierung von Einfluss stabilisieren.
Thomas Mirbach (MIR)
Dr., wiss. Mitarbeiter, Lawaetz-Stiftung Hamburg, Lehrbeauftragter, Institut für Politische Wissenschaft, Universität Hamburg.
Rubrizierung: 5.42 Empfohlene Zitierweise: Thomas Mirbach, Rezension zu: Niklas Luhmann: Macht im System. Frankfurt a. M.: 2012, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/35166-macht-im-system_42339, veröffentlicht am 31.01.2013. Buch-Nr.: 42339 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken
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