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/ 22.06.2013
Frank Bajohr

Hanseat und Grenzgänger. Erik Blumenfeld – eine politische Biographie

Göttingen: Wallstein Verlag 2010 (Hamburger Beiträge zur Sozial- und Zeitgeschichte 46); 302 S.; geb., 29,90 €; ISBN 978-3-8353-0600-4
Geschichtswiss. Habilitationsschrift Hamburg. – Blumenfeld war der einzige Bundestagsabgeordnete, der „das Vernichtungslager Auschwitz erlebt und überlebt“ (7) hatte, aber erst 1979 erwähnte er seine Inhaftierung in einer Parlamentsrede – in der Debatte über die Frage, ob Mord verjähren sollte. Im Ergebnis sprachen sich 269 Abgeordnete für die Unverjährbarkeit aus, 232 dagegen. „Außer Blumenfeld hatten noch 36 weitere Abgeordnete der Union mit ‚ja’ gestimmt. Auf keine andere Entscheidung des Parlamentes hatte Blumenfeld jemals in so persönlicher Weise Einfluß genommen.“ (256) Bajohr beschreibt den Hamburger Kaufmann und CDU-Politiker nicht als auffälligen Querdenker, sondern eher als parteipolitischen Grenzgänger. Allerdings habe Blumenfeld wie viele andere Überlebende der NS-Zeit, die einen jüdischen Elternteil hatten, seine Herkunft und seine leidvollen Erfahrungen lange verborgen, um die „gesellschaftliche Integration nicht zu gefährden“ (273). Nach dem Krieg wurde er in der Hamburger Politik aktiv, erst parteilos, dann in der CDU (in der ein Viertel der Mitglieder zuvor in der NSDAP gewesen war), war u. a. mit Gerd Bucerius und Axel Springer gut befreundet, wurde 1961 in den Bundestag gewählt und Mitglied im Ausschuss für auswärtige Angelegenheiten. Hinter den Kulissen betätigte sich Blumenfeld als außenpolitischer Strippenzieher, er strebte „vor allem gegenüber ehemaligen Opfern des Nationalsozialismus nach Versöhnung [...] wie sein Engagement für die deutsch-polnischen und deutsch-israelischen Beziehungen unter Beweis stellte“ (273). Zu seinem politischen Profil gehörten allerdings auch die Unterstützung der USA im Vietnam-Krieg, Nachsichtigkeit gegenüber der griechischen Militärdiktatur sowie die Ablehnung der 68er-Bewegung. Gegen Ende seiner Laufbahn wurde Blumenfeld Abgeordneter des Europa-Parlaments, die deutsche Wiedervereinigung schließlich betrachtete er kritisch. Insgesamt bezeichnet Bajohr die politischen Auffassungen des Politikers dennoch als modern, liberal und aufgeschlossen, „in seinem Habitus als Gentleman-Politiker“ sei er allerdings zum „Auslaufmodell“ geworden (278).
Natalie Wohlleben (NW)
Dipl.-Politologin, Redakteurin pw-portal.de.
Rubrizierung: 2.32.3132.3312.35 Empfohlene Zitierweise: Natalie Wohlleben, Rezension zu: Frank Bajohr: Hanseat und Grenzgänger. Göttingen: 2010, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/31959-hanseat-und-grenzgaenger_38113, veröffentlicht am 01.04.2010. Buch-Nr.: 38113 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken
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