/ 21.06.2013
Dirk Kurbjuweit
Angela Merkel. Die Kanzlerin für alle?
München/Wien: Carl Hanser Verlag 2009; 155 S.; 16,90 €; ISBN 978-3-446-20743-1In der Regierungszeit von Angela Merkel ist viel geschehen, leitet der Autor sein Buch ein: Die SPD wurde geschwächt und hat sich erneuert, eine Energiepreiskrise brach aus und ebbte wieder ab, in Georgien gab es Krieg, China demonstrierte Weltmachtansprüche und das Weltfinanzsystem kollabierte. Wie Angela Merkel in dieser Zeit Politik betrieb und inszenierte, schildert Kurbjuweit ausführlich. Man merkt dem Autor die Bewunderung von Merkels Intelligenz an und dennoch ist er nicht unkritisch. So setzt er unter den Kapiteltitel „Die Reformkanzlerin“ den Untertitel „Geschichte einer Selbstauflösung“ (65). Doch der neoliberale Zeitgeist, resümiert der Autor, war vor allem ein publizistisches Ereignis, „das Volk machte nicht mit“ (72). Das Volk zeigte sich gegenüber Reformen unsicher und unwillig und der Autor macht zwei weitere Gegner von Merkels Reformpolitik aus: die SPD und Oskar Lafontaine. Der sozialdemokratische Machtkampf zwischen Franz Müntefering und Kurt Beck habe ihre Politik zusätzlich behindert. Doch er macht auch Charakteristika Merkels selbst dafür verantwortlich: „Das Muster ihrer Politik sieht also so aus: Merkel lässt sich lange bedeckt, greift dann nach dem Thema, das sich gerade besonders anbietet, und lässt es wieder fallen, wenn es schwierig wird“ (104). Kurbjuweit verallgemeinert aber auch, dass Überzeugungen mittlerweile ein Problem für Politiker seien. Durch die Globalisierung, die Medien oder unvorhergesehene Ereignisse wie die Weltfinanzkrise änderten sich Umfragen und das Bild der Gesellschaft ständig. Daher sei Merkel eine „Meisterin der unbedeutenden Worte“ (109). Dies gelte auch für die Krise, die eigentlich eine gute Zeit für Politiker sei, so der Autor. Doch sowohl im Georgien-Krieg, wo Merkel den georgischen Präsidenten zu nachsichtig behandelt habe, als auch in der Finanzkrise, wo sie das beherzte Handeln und eine klare Haltung gezielt Peer Steinbrück überlassen habe, hätte sie keine Führung bewiesen. Kurbjuweit bezweifelt, dass Merkel wirklich die Richtlinienkompetenz ausübe und das Land in die Zukunft führen will; er zeichnet das Bild einer hadernden Verwalterin.
Timo Lüth (TIL)
Student, Institut für Politische Wissenschaft, Universität Hamburg.
Rubrizierung: 2.3 | 2.322 | 2.331 | 2.333
Empfohlene Zitierweise: Timo Lüth, Rezension zu: Dirk Kurbjuweit: Angela Merkel. München/Wien: 2009, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/31180-angela-merkel_37080, veröffentlicht am 28.01.2010.
Buch-Nr.: 37080
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Student, Institut für Politische Wissenschaft, Universität Hamburg.
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