/ 11.06.2013
Heinrich Reinhardt
Der Personalstaat. Profil einer neuen Staatsform
Bern u. a.: Peter Lang 1999 (Europäische Hochschulschriften: Reihe II, Rechtswissenschaft 2651); 220 S.; brosch., 63,- DM; ISBN 3-906762-73-4Im Gedankenexperiment setzt der Autor die Unverzichtbarkeit des Kriteriums "Staatsgebiet" als konstitutives Element eines Staates - neben Staatsvolk und Staatsgewalt - außer Kraft. Ausgehend von dem Gedanken einer "eminent überzeugend[en], dauerhaft gemeinschaftsbildend[en] und für die ganze Menschheit wichtig[en]" Idee (16) als staatsbegründendes Element, und mit einem Staatsverständnis argumentierend, das etwa davon ausgeht, Palästina sei als ein "stabile[r] und unabhängige[r]" (38) Staat in die Völkergemeinschaft aufgenommen worden, entwickelt er in direkter Analogie zu zwei real existierenden Völkerrechtssubjekten - dem Souveränen Malteserorden und dem Vatikanstaat - seine These vom Personalstaat, der ohne Territorium "wesentlich auf den Personen [beruht], die ihn am Leben erhalten" (16). In Reinhardts Definition, die sowohl den Personalstaat als auch die "herkömmlichen Territorialstaaten" abdecken soll, ist der Staat die "rechtlich geordnete und nach Gerechtigkeit strebende, mit Macht und Zwangsmitteln ausgerüstete, aber diese durch Mäßigung und Weisheit im Hintergrund haltende und lieber durch geistig-sittliche Autorität einladende sinnlich-konkrete Erscheinungsform der schöpferischen Stabilität einer Gemeinschaft" (49 f.). Dabei will er den Personalstaat wohl von der Internationalen Organisation unterschieden wissen, denn im Gegensatz zu letzterer bilde der Personalstaat eine "Lebensganzheit", innerhalb derer sich etwa "drei erstrangige Stationen humanen Lebensvollzugs - Kindergarten, universitäres Zentrum und Altenheim - miteinander verbinden" ließen: "Kinder dürften da zu den alten Menschen gehen, sooft sie wollten, und diese könnten Gesprächspartner der Kinder werden." Die "jungen Erwachsenen [...] könnten zu den Alten gehen oder diese einladen, um aus ihrer Kenntnis der Antike oder überhaupt der Wissenschaften und Künste etwas mitzuteilen" (54) etc.
Nach dieser Darlegung des Konzeptes des Personalstaates im ersten Teil des Buches versteigt sich der zweite in eine Anleitung zu seiner konkreten strukturellen Ausgestaltung bis hin zur Niederschrift einer etwa zwanzigseitigen fiktiven Verfassung, inklusive Empfehlungen zu deren Auslegung und zur Einzelgesetzgebung. Im dritten Teil, schließlich, versucht der Autor darzulegen, wie der Personalstaat "in Zusammenhängen, wo alle bisher üblichen Wege politischer Krisenbewältigung ins Leere führen [...] von transethnischer und internationaler Entspannungskraft wäre" (183). So schlägt er etwa zur Lösung des Nordirlandkonfliktes die Gründung eines Personalstaates "für alle Iren", des weiteren eine ebensolche "im Grenzgebiet von Indien und Pakistan [...] für alle Kaschmiren" und eine "in Frankreich und Spanien [...] für alle Basken" vor (184, Hervorhebungen im Text). Dies ermögliche die "Einwurzelung des Friedens in den genannten Ländern" durch "das Zusammenwohnen und Zusammenarbeiten [...] in ein und demselben Haus, z. B. Altersheim, z. B. Jugenddorf, z. B. integrierte Hochschule mit Kindergarten etc. Das Altersheim könnte als konkrete Aufgabe die 'lectio continua' von klassischen poetischen Texten der beiden Nachbarvölker oder das Marionettentheater haben", etc. (185, Hervorhebungen im Text). Im Vorwort warnt der Autor den Leser: "Die vorliegende Arbeit über den Personalstaat ist wohl eine Schrift außerhalb des Üblichen." (9) Dem ist unbedingt zuzustimmen.
Thomas Nitzsche (TN)
M. A., Fachreferent für Politikwissenschaft, Soziologie und Wirtschaftswissenschaft an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek in Jena (ThULB).
Rubrizierung: 5.41 | 2.21
Empfohlene Zitierweise: Thomas Nitzsche, Rezension zu: Heinrich Reinhardt: Der Personalstaat. Bern u. a.: 1999, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/11123-der-personalstaat_13146, veröffentlicht am 01.01.2006.
Buch-Nr.: 13146
Rezension drucken
M. A., Fachreferent für Politikwissenschaft, Soziologie und Wirtschaftswissenschaft an der Thüringer Universitäts- und Landesbibliothek in Jena (ThULB).
CC-BY-NC-SA