/ 18.06.2013
Kai Hafez
Die politische Dimension der Auslandsberichterstattung. Band 2: Das Nahost- und Islambild der deutschen überregionalen Presse
Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft 2002; 401 S.; brosch., 60,- €; ISBN 3-7890-7738-0Gestützt auf sein im ersten Band entfaltetes theoretisches Rüstzeug untersucht Hafez im empirischen Hauptteil seiner Habilitation die Berichterstattung der deutschen überregionalen Presse zu Nordafrika, dem Nahen und Mittleren Osten mittels quantitativer und qualitativer Inhaltsanalysen. Im Rahmen der quantitativen Untersuchung werden über 11.000 thematisch einschlägige Artikel aus jeweils zwei überregionalen Tageszeitungen (FAZ und SZ) und Wochenmagazinen ("Der Spiegel" und "Stern") der Jahre 1955 bis 1994 ausgewertet. Zu den Untersuchungsvariablen gehören neben anderen Häufigkeit, Themen, Handlungsträger und Informationsquellen der Artikel. Die umfangreiche qualitative Analyse wird - bei erheblicher Ausweitung der untersuchten Printmedien - anhand von Fallstudien vorgenommen, darunter die Erdölkrise 1973, der so bezeichnete Fall Salman Rushdie (1989 bis 1995) und die Algerienkrise in der ersten Hälfte der Neunzigerjahre. Zu den eher unspektakulären Befunden von Hafez gehören die starke Ereignisorientierung der Berichterstattung, die Überrepräsentation der Politik gegenüber anderen Sachgebieten und die Bedeutung der kulturellen Nähe bei der Behandlung von Kultur/index.php?option=com_content&view=article&id=41317.
Aus sozialwissenschaftlicher wie politischer Perspektive bemerkenswert sind hingegen einige weitere Ergebnisse. So verhindert zumal in nicht-demokratischen Systemen die Existenz von extremistischen Kräften die Wahrnehmung moderater zivilgesellschaftlicher Gruppen durch die deutsche Presse. Entgegen der conventional wisdom finden die oftmals beschworenen besonderen Beziehungen zwischen der Bundesrepublik und Israel zumindest in der Berichterstattung über den israelischen Kernstaat keine Bestätigung; Israel ist vorwiegend dann interessant, wenn es um den Palästinakonflikt geht. Schließlich werden nicht per se (gewaltsame) Konflikte in der Region von den Printmedien aufgegriffen. Vielmehr müssen diese von internationaler Bedeutung sein, um die Thematisierungsschwelle zu überwinden - was etwa den Bürgerkriegen im Jemen und im Sudan allenfalls punktuell "gelungen" ist. Zu den stärksten und brisanten Teilen des Buches gehören die Ausführungen zum Islambild. Eindrucksvoll zeigt Hafez auf, wie durch Verabsolutierung von Einzelbeobachtungen, mangelnde Differenzierung, selektive Wahrnehmung und massive Überzeichnung insbesondere von Bedrohungsszenarien Zerrbilder des Islam produziert werden, die bis zu seiner Gleichsetzung mit dem islamistischen Fundamentalismus reichen. Ein wesentlicher Grund dafür seien kultur-essenzialistische Wahrnehmungen, wie sie auch in der Qualitätspresse anzutreffen seien. Die insgesamt scharfsinnige Analyse leidet hier vereinzelt darunter, dass der Grundsatz des sine ira et studio aufgegeben wird zugunsten polemischer Töne; so etwa bei der allzu vordergründigen Kritik an Huntington.
Michael Edinger (ME)
M. A., wiss. Mitarbeiter, Sonderforschungsbereich 580, Universität Jena (www.uni-jena/svw/powi/sys/edinger.html).
Rubrizierung: 2.333
Empfohlene Zitierweise: Michael Edinger, Rezension zu: Kai Hafez: Die politische Dimension der Auslandsberichterstattung. Band 2: Das Nahost- und Islambild der deutschen überregionalen Presse Baden-Baden: 2002, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/17346-die-politische-dimension-der-auslandsberichterstattung-band-2-das-nahost--und-islambild-der-deutschen-ueberregionalen-presse_19960, veröffentlicht am 01.01.2006.
Buch-Nr.: 19960
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M. A., wiss. Mitarbeiter, Sonderforschungsbereich 580, Universität Jena (www.uni-jena/svw/powi/sys/edinger.html).
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