/ 30.05.2013
Monika Schwarz-Friesel / Jehuda Reinharz
Die Sprache der Judenfeindschaft im 21. Jahrhundert
Berlin/New York: Walter de Gruyter 2012 (Europäisch-jüdische Studien. Beiträge 7); XII, 444 S.; 79,95 €; ISBN 978-3-11-027772-2Die sozialwissenschaftliche Antisemitismusforschung kann sich – leider – nicht über einen Mangel an empirischem Material beklagen. Während das für die Öffentlichkeit bestimmte Material – von Büchern über Aufsätze, Zeitungsartikel und programmatischen Schriften bis hin zu Leserbriefen oder Blogbeiträgen – immer wieder Gegenstand von Analysen gewesen ist, stellt sich ein Zugang zu den „normalen“ Antisemit(inn)en als schwierig dar – ihre Äußerungen sind in der Regel der Öffentlichkeit nicht zugänglich. Die Sprachwissenschaftlerin Monika Schwarz‑Friesel und der Historiker Jehuda Reinharz haben nun einen Meilenstein der Forschung in dieser Frage vorgelegt: Sie haben die Zuschriften, die im Zeitraum von 2002 bis 2012 (ungefragt) an den Zentralrat der Juden in Deutschland und die israelische Botschaft in Berlin geschickt wurden, einer qualitativen und quantitativen Korpusanalyse unterzogen und dieses Material noch um eine europäisch‑vergleichende Analyse von Briefen, die den Botschaften Israels in mehreren europäischen Ländern in den Jahren 2010/11 geschickt wurden, ergänzt. Schwarz‑Friesel und Reinharz zeigen bei den Zuschriften aus der gesellschaftlichen Mitte, dass – trotz individueller Differenzen – eine große Homogenität mit Blick auf den „textuellen Aufbau, die Verwendung spezifischer Strategien und argumentativer Muster“ (397) festzustellen ist. Konstitutiv ist das (präventive) Zurückweisen eines Antisemitismusvorwurfes bei gleichzeitiger Formulierung zahlreicher antisemitischer Positionen, die auch chiffriert und codiert ausgedrückt werden. Dies ist insofern bemerkenswert, weil sich so jenseits von politischen Selbstverortungen (die nur etwas an der sprachlichen Aggressivität ändern) ein gemeinschaftlicher Konsens von Antisemit(inn)en zeigt, in dem in einer Reaktualisierung der NS‑Volksgemeinschaftsideologie soziale und politische Differenzen suspendiert werden.
Samuel Salzborn (SZ)
Prof. Dr., Professor für Grundlagen der Sozialwissenschaften, Institut für Politikwissenschaft, Georg-August-Universität Göttingen.
Rubrizierung: 2.35
Empfohlene Zitierweise: Samuel Salzborn, Rezension zu: Monika Schwarz-Friesel / Jehuda Reinharz: Die Sprache der Judenfeindschaft im 21. Jahrhundert Berlin/New York: 2012, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/193-die-sprache-der-judenfeindschaft-im-21-jahrhundert_43597, veröffentlicht am 28.02.2013.
Buch-Nr.: 43597
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Prof. Dr., Professor für Grundlagen der Sozialwissenschaften, Institut für Politikwissenschaft, Georg-August-Universität Göttingen.
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