Skip to main content
/ 03.06.2013
Martin Johannes Ohms

Die verfassungsimmanente Pflicht des Gesetzgebers zur Änderung des Grundgesetzes. Ein Beitrag zur Bedeutung von Art. 79 GG für die Grundrechte, unter besonderer Berücksichtigung des Art. 3 Abs. 2 GG

Sinzheim: Pro Universitate Verlag 1996 (Wissenschaftliche Schriften: Recht); 124 S.; brosch., 69,- DM; ISBN 3-930747-57-X
Rechtswiss. Diss. Kiel. - Nach Ohms beinhalten die "Ewigkeitsklausel" und die Bestimmungen für Grundgesetzänderungen in Art. 79 GG eine verfassungsimmanente Pflicht des Gesetzgebers, die Identität der Verfassung zu wahren. Die "Ewigkeitsklausel" [in Art. 79 III GG, die zentrale Bereiche der Verfassung vor Änderungen schützt, wirkt danach wie ein Gesetzesvorbehalt, "schützt"] also den wesentlichen Gehalt der betreffenden Normen. Die "herkömmlichen" grundrechtlichen Gesetzesvorbehalte (z. B. Art. 2 II Satz 3: "In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.") beinhalten nun jedoch auch eine Pflicht des Gesetzgebers, "einen freiheitlichen Lebensbereich als Element objektiver Ordnung inhaltlich regelnd auszugestalten" (74), also gegebenenfalls aktiv zu werden, um das jeweilige Grundrecht in seiner Geltung sicherzustellen. Daher müsse der Gesetzgeber auch auf verfassungsrechtlicher Ebene reagieren, wenn die durch Art. 79 III GG geschützten Verfassungsbestimmungen nicht mehr der Verfassungswirklichkeit entsprächen. Gegebenenfalls muß der Verfassungstext präzisiert oder verschärft werden, um auf die Verfassungswirklichkeit einzuwirken. Art. 79 GG sei eine "Identitätsgarantie" (88) der Verfassung. Der Autor kann sich vorstellen, daß eine Verfassungslegislativpflicht, also die Pflicht zur Änderung der Verfassung zum Beispiel im Bereich des Familienschutzes entstehen könnte, wenn die natürlichen Familienstrukturen, wie sie im Grundgesetz durch Art. 6 GG und eben Art. 79 III GG geschützt werden, weiterhin erodieren würden. In der Abtreibungsfrage ist eine solche Pflicht nach Ohms nicht gegeben, denn bei kollidierendem Verfassungsrecht - Schutz des ungeborenen Lebens versus Persönlichkeitsrechte der Frau - und einer Lösung in der Verfassungswirklichkeit, die beiden Artikeln gerecht wird, kann keine Verfassungslegislativpflicht eintreten (99 f.).
Stefan Lembke (SL)
M. A., Politikwissenschaftler.
Rubrizierung: 2.321 Empfohlene Zitierweise: Stefan Lembke, Rezension zu: Martin Johannes Ohms: Die verfassungsimmanente Pflicht des Gesetzgebers zur Änderung des Grundgesetzes. Sinzheim: 1996, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/1920-die-verfassungsimmanente-pflicht-des-gesetzgebers-zur-aenderung-des-grundgesetzes_2263, veröffentlicht am 01.01.2006. Buch-Nr.: 2263 Rezension drucken
CC-BY-NC-SA