Die ehemalige Terroristin ist 1992 zu 13 Jahren Haft verurteilt worden. Die Briefe erstrecken sich von ihrer Verhaftung in Folge der Maueröffnung 1990 bis zum April 1996. Sie sind an Freunde und an Freundinnen und an Personen des öffentlichen Lebens, u. a. an Gregor Gysi und Christa Wolf, gerichtet. Die Autorin reflektiert ihre eigene Situation im Gefängnis, die Vergangenheit als Mitglied der "Bewegung 2. Juni", das Leben in der DDR, die politisch-gesellschaftlichen Begleitumstände der Vereinigung und die Vorbereitung auf den Prozeß. Außerdem beinhaltet das Buch ein siebenseitiges Interview mit der Autorin, das Ivo Bozic für die Zeitung Neues Deutschland am 03.09.1994 geführt hat sowie ein dreiseitiges Nachwort von Hanna Mittelstädt über Inge Viett. Anfang der neunziger Jahre trifft die Autorin einige Aussagen über die Öffnung der Grenze und die Vereinigung beider Teile Deutschlands, denen heute viele Menschen zustimmen würden. Sie prangert u. a. die sozialen Mißstände an, die sich nun auch in der ehemaligen DDR ausbreiten (z. B. 18 f.). Daneben wird aber auch der Dogmatismus der Ex-Terroristin deutlich: Obwohl sie gegenüber der DDR kritikfähig sein könne (21), meint sie, nun ausschließlich deren positive Aspekte betonen zu müssen, da "im Moment [...] soviel gelogen, verbogen und ausradiert [wird] mit dem Ziel, wahrhaftig nichts übrig zu lassen von der sozialistischen Gesellschaft und ihrem Schaffen" (21 f.). Auf diese Art und Weise lassen sich viele ihrer Statements auf die allzu simple Formel "Böser Kapitalismus - guter (Real-)Sozialismus" bringen. Die Leser lernen schließlich noch eine andere Inge Viett kennen: Aus einem Schreiben an die Wirtschaftsverwaltung der JVA Zweibrücken - es ging um mehr Abwechslung im Speiseplan - sprechen Pointen und rhetorisch sowie inhaltlich triefende Ironie. Es endet mit dem Satz: "Die Angelegenheit ist hiermit zu unserer vollsten Unzufriedenheit erledigt". (139)