/ 20.06.2013
Cathleen Kantner
Kein modernes Babel. Kommunikative Voraussetzungen europäischer Öffentlichkeit
Wiesbaden: VS Verlag für Sozialwissenschaften 2004 (Bürgergesellschaft und Demokratie 21); 226 S.; brosch., 22,90 €; ISBN 3-531-14294-1Sozialwiss. Diss. Berlin; Gutachter: K. Eder. - Die Diskussion über ein Demokratiedefizit im politischen System der Europäischen Union führt unweigerlich zu dem Problem einer fehlenden transnationalen europäischen Öffentlichkeit. Die Bürger Europas sind in ihrem jeweiligen Nationalstaat politisch und kulturell verwurzelt und verfügen nicht einmal über eine gemeinsame Sprache, geschweige denn über europaweite Massenmedien und Kommunikationswege, die als Voraussetzung moderner demokratischer Gesellschaften unentbehrlich erscheinen. Ein kaum zu überwindendes Öffentlichkeitsdefizit der EU könnte somit auch der Grund für deren grundsätzliche Demokratieunfähigkeit sein. Diese Argumentationsmuster versucht die Autorin zu widerlegen. Aus der Perspektive der politischen Soziologie greift sie kommunitaristische Argumente auf und zeigt, inwiefern deren Kritik am prozeduralen Demokratiekonzept fehlschlägt. "Weder eine gemeinsam geteilte vorpolitische Identität, noch eine gemeinsame Sprache, noch gemeinsame Massenmedien stellen notwendigerweise Vorbedingungen demokratischer Prozeduren dar". Obwohl Kantner einräumt, dass es "bestimmte minimale soziale Voraussetzungen" für demokratische Gemeinwesen geben muss, zeigt sie doch, dass diese als "hermeneutisch-pragmatische" sowie "verfassungsrechtlich-prozedurale" (12) Voraussetzungen auch für die EU durchaus vorhanden oder zumindest prinzipiell möglich sind. Neben die Diskussion einer öffentlichkeits- und kommunikationstheoretischen Konzeption tritt bei Kantner eine empirische Analyse des Publikums, der Sprecher und der Medien im multisprachlichen Raum Europa. Eine demokratisch legitimierte politische Einheit Europas bleibe eine politische Entscheidung, an der die Unionsbürger maßgeblichen Anteil haben. An ihrer kulturellen und sprachlichen Heterogenität müsse sie jedenfalls nicht scheitern. Allerdings fehle der Öffentlichkeit und Demokratie in Europa sehr wohl eine "europäische ‚progressive Ära'" (196).
Andreas Eis (AE)
Jun.-Prof. Dr., Didaktik des politischen Unterrichts und der politischen Bildung, Institut für Sozialwissenschaften Oldenburg, Fakultät I.
Rubrizierung: 3.4
Empfohlene Zitierweise: Andreas Eis, Rezension zu: Cathleen Kantner: Kein modernes Babel. Wiesbaden: 2004, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/23236-kein-modernes-babel_26622, veröffentlicht am 01.01.2006.
Buch-Nr.: 26622
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Jun.-Prof. Dr., Didaktik des politischen Unterrichts und der politischen Bildung, Institut für Sozialwissenschaften Oldenburg, Fakultät I.
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