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/ 05.06.2013
Uwe Kranenpohl

Mächtig oder machtlos? Kleine Fraktionen im Deutschen Bundestag 1949-1994

Opladen/Wiesbaden: Westdeutscher Verlag 1999 (Studien zur Sozialwissenschaft 205); 427 S.; brosch. 76,- DM; ISBN 3-531-13265-2
Politikwiss. Diss. Passau; Gutachter: H. Oberreuter. - Welchen Problemen wandten sich die Kleinfraktionen zu? Wie gestaltet sich ihre parlamentarische Arbeit? Welche öffentlichkeitswirksamen Maßnahmen ergreifen sie? Und schließlich: Welchen Einfluß haben kleine Regierungs- bzw. Oppositionsfraktionen? 30 Intensivinterviews mit ehemaligen und noch amtierenden Abgeordneten von B90/Die Grünen, FDP und PDS/Linke Liste bilden den einen Teil der empirischen Grundlage für Kranenpohls umfangreiche Studie. Als zweite empirische Grundlage kategorisierte der Autor die formalen parlamentarischen Aktivitäten der Kleinfraktionen, die sich als Drucksachen des Bundestags niederschlagen, nach Politikfeldern und nach Instrumenten. Darunter fallen z. B. Gesetzesentwürfe, Kleine und Große Anfragen, Anträge auf Einsetzung von Untersuchungsausschüssen und Enquete-Kommissionen sowie Verlangen auf Abhaltung einer Aktuellen Stunde. Mit Hilfe des Sachregisters zu den Stenographischen Berichten des Bundestages wurden insgesamt über 9.200 Aktivitäten ausgewertet. Die Frage nach der Themenauswahl der Fraktionen führt Kranenpohl zu zwei zentralen Ergebnissen (189 ff.): Erfolgreiche Kleinfraktionen schaffen es, sich programmatisch fortzuentwickeln. So habe die FDP in den sechziger Jahren im Ringen um die Notstandsverfassung ihr bürgerrechtliches Profil so gestärkt, daß sie später mit der SPD koalieren konnte. Der zweite Erfolgsfaktor sei das Besetzen politischer Nischen, wie durch die Grünen in den achtziger Jahren. Auch für die innerfraktionelle Organisation der Kleinfraktionen findet der Autor spezifische Eigenheiten heraus. So ist die Spezialisierung der Abgeordneten nicht so groß wie bei den Großfraktionen, die Öffentlichkeitsarbeit eher forsch und effektvoll, um strukturelle Defizite auszugleichen. Daß die Auswahl der relevanten Themen nach politischen Kriterien (Orientierung an eigenen Schwerpunkten, Partei-, Fraktions- und Klientelinteressen) erfolgt (358 f.), dürfte dagegen auch für große Fraktionen zutreffen. Spezifische und potentiell verallgemeinerbare Erkenntnisse sind auch bei den anderen Fragestellungen vorzufinden. So sei die Transparenz der Willensbildung in kleinen Fraktionen generell größer, jedes interessierte Mitglied könne eher eine Generaldebatte anstoßen als in großen Fraktionen (359). Daß abweichendes Verhalten jedoch sanktioniert wird, wenn es sich mit persönlicher Profilierung und mangelnder Absprache mit der Fraktion paart (359), kann wohl auch für größere Fraktionen gelten. Kleine Koalitionsfraktionen müßten ihre Positionen frühzeitig einbringen, um sie durchsetzen zu können. Aber auch für den größeren Koalitionspartner gilt dabei, daß diejenige Regierungsfraktion im Vorteil ist, die die Opposition eher auf ihrer Seite weiß, so ist "die Opposition immer mit am Koalitionstisch" (360). Kranenpohl stellt weiter fest, daß kleine Oppositionsfraktionen das parlamentarische Instrumentarium wesentlich intensiver nutzen als kleine Koalitionsfraktionen. Ihre Möglichkeiten, die Tagesordnung des Plenums und der Ausschüsse zu beeinflussen, bewertet der Autor als "zufriedenstellend" (360). Abschließend spricht er sich dafür aus, zum einen die vorliegenden Erkenntnisse mit Erfahrungen anderer Parlamente zu vergleichen, zum anderen das Verhältnis zwischen Partei und Fraktion näher zu untersuchen. Aus dem Inhalt: 5. Die Themenprofile der Kleinfraktionen 1949 bis 1994; 6. Organisation und politische Willensbildung in den Kleinfraktionen; 7. Die Außendarstellung der Kleinfraktionen; 8. 'Mächte im Schatten': Kleine Regierungsfraktionen; 9. 'Im Schatten der Macht': Kleine Oppositionsfraktionen; 10. Systemkritische Oppositionsfraktionen; 11. Partei und Fraktion: Zur Verknüpfung von parlamentarischer und außerparlamentarischer Arena.
Stefan Lembke (SL)
M. A., Politikwissenschaftler.
Rubrizierung: 2.3212.331 Empfohlene Zitierweise: Stefan Lembke, Rezension zu: Uwe Kranenpohl: Mächtig oder machtlos? Opladen/Wiesbaden: 1999, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/8263-maechtig-oder-machtlos_10894, veröffentlicht am 01.01.2006. Buch-Nr.: 10894 Rezension drucken
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