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/ 18.06.2015
Lars Geiges / Stine Marg / Franz Walter

Pegida. Die schmutzige Seite der Zivilgesellschaft?

Bielefeld: transcript Verlag 2015 (X-Texte); 207 S.; 19,99 €; ISBN 978-3-8376-3192-0
Der etwas reißerische Titel und das düstere Buchcover täuschen: Das Buch ist keine Totalabrechnung mit Pegida, sondern eine wissenschaftlich neutrale, selten wertende, bisweilen fast verständige Studie. Besonders ist, dass diese nicht am Ende der untersuchten Vorgänge entsteht – mit etwas selbstgerechter Kritik grenzt sich das Autorenteam ab gegen „wohlfeile rückwärtsgewandte Prophetie“, die „zum Zeitpunkt des Erscheinens kaum noch jemanden interessiert“ (7). Man wolle „Thesen präsentieren, einen Materialaufriss zusammenstellen und mit vorläufigen Deutungsangeboten eine Diskussion anregen“ (13). Dies geschieht auf Basis von Medienberichten, teilnehmenden Beobachtungen, Onlinebefragungen sowie Fokusgruppen‑Gesprächen. Kurz werden die Entwicklungen seit der ersten Demonstration im Oktober 2014 nachgezeichnet; auch die Mitglieder des „Orga‑Teams“ werden in Kurzbiografien vorgestellt. Man fragt sich jedoch, welchen wissenschaftlichen Mehrwert die Auswertung ihrer Facebook‑„Gefällt mir“‑Angaben hat. Ein anderes Kapitel liefert quantitative Daten zu den Pegida‑Demonstranten, oft ehemals CDU‑ und FDP‑Wähler, die zuletzt aber meist der AfD ihre Stimme gaben. In der Mehrheit sind es Angestellte mit mittleren bis höheren Bildungsabschlüssen, vereint durch ihre Ablehnung bestimmter Gruppen und Institutionen. Auch die Situation in anderen europäischen Ländern wird beleuchtet, wo oft bereits etablierte Parteien die nebulöse Gefahr der „Islamisierung“ und Kritik an Medien und Eliten artikulieren. Mit einer gewissen, für Walter mitunter typischen Polemik mahnt das abschließende Essay, dass die Zivilgesellschaft „nicht allein ein Gewächshaus für löbliche Tugenden der Liberalität, Toleranz und Humanität“ sei, sondern auch Ausgrenzung und „pathologische Ängste und Aggressionen“ (194) beinhalte; Gründe für die Entfremdung lägen auch im Versagen der linken Parteien und einer „Einheitsfront im schwarz‑rot‑grünen Parteienestablishment“ (202). Wichtig ist der Hinweis, dass Ressentiments und Abwertung von Muslimen nicht nur bei Pegida, sondern auch in der Mitte der Gesellschaft zu finden sind. Als umfassender Materialaufriss stellt das Buch eine Pionierarbeit da, an der man schwer vorbeikommen wird. Eine gründlichere Redaktion hätte indes gut getan – so bekam Altkanzler Schröder etwa eine „Parteifreundin Claudia Roth“ (151) zur Seite gestellt.
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Rubrizierung: 2.352.3312.3332.372.22 Empfohlene Zitierweise: Frank Kaltofen, Rezension zu: Lars Geiges / Stine Marg / Franz Walter: Pegida. Bielefeld: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/38554-pegida_47043, veröffentlicht am 18.06.2015. Buch-Nr.: 47043 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken
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