Diss. Bamberg. - Es ist das Ziel der Arbeit, die wissenschaftlichen Überlegungen zur Politikverdrossenheit zu systematisieren und insbesondere die Frage zu beantworten, welchen Einfluss die Politikverdrossenheit auf das Wahlverhalten und dessen Veränderung hat. Hierzu führt der Autor eine quantitative Sekundäranalyse repräsentativer Bevölkerungsumfragen durch (Politbarometer aus den Jahren 1977-1996 und Panelerhebung zum Wählerverhalten 1990-1992). In der theoretischen Vorarbeit für seine Modellbildung verbindet er das Konzept Eastons zur politischen Unterstützung mit kombinierten Annahmen der Rational-Choice- und der ökonomischen Wahltheorie (nutzenmaximierendes strategisches Verhalten der Wähler/innen bei unvollständiger Informationslage), gepaart mit Hypothesen zur Konvergenz des politischen Angebots durch die sich verstärkenden Mechanismen der Mediengesellschaft. Hervorgehoben wird die These, dass in einer durch Modernisierung und Wertewandel gekennzeichneten Gesellschaft Parteipolitikerinnen und -politiker einen Spagat zwischen immer stärker divergierenden Gruppen von Wählerinnen und Wählern halten müssen, der in eine öffentliche Wahrnehmung abnehmender Leistungsfähigkeit mündet: entweder des politischen Systems insgesamt, zumindest aber der handelnden politischen Akteure. Letztere geraten so in eine "Modernisierungsfalle" (288), ein gewisses Maß an Politikverdrossenheit ist als "normale Pathologie" (288) demokratischer Systeme zu betrachten. Maier operationalisiert Parteien-, Politiker- und Demokratieverdrossenheit als die drei relevanten Dimensionen der Politikverdrossenheit und gelangt u. a. zu folgenden empirischen Ergebnissen: Politikverdrossenheit erfasst alle Altparteien und bedeutet im Moment vor allem den Abbau positiver Einstellungen gegenüber der Politik, aber nicht den Gewinn negativer Einstellungen ihr gegenüber, sondern die Einnahme eines neutralen Blickwinkels. Bivariat besteht ein relativ starker Zusammenhang zwischen den Nichtwählern, den Wählern nicht-etablierter Parteien und den verschiedenen Dimensionen der Politikverdrossenheit. Werden diese Variablen aber mit weiteren zentralen Determinanten des Wahlverhaltens kontrolliert, verschwinden statistisch eindeutig belegbare Einflüsse solcherart operationalisierter Politikverdrossenheit. Die einzelnen Dimensionen der Politikverdrossenheit werden z. T. durch sozio-demographische und ökonomische Variablen plausibel erklärt, z. T. erklären sie sich wechselseitig. Parteien- und Politikerverdrossenheit tragen laut dieser Analyse aber nicht zur Demokratieverdrossenheit bei, weshalb der Autor schlussfolgert: "Die häufig befürchtete Diffusion von Parteien- und Politikerverdrossenheit auf die Akzeptanz des politischen Systems kann hier empirisch nicht belegt werden." (291) Inhaltsübersicht: II. Der Begriff der Politikverdrossenheit. III. Dimensionen der Politikverdrossenheit; IV. Determinanten der Politikverdrossenheit; V. Konsequenzen der Politikverdrossenheit; VI. Politikverdrossenheit - ein Strukturdefekt moderner Demokratien?; VII. Modellbildung, Operationalisierung, Analysedesign, Daten, Hypothesen; VIII. Trends der Politikverdrossenheit; IX. Der Einfluss der Politikverdrossenheit auf das Wahlverhalten: Befunde auf der Aggregatebene; X. Der Einfluss der Veränderung von Politikverdrossenheit auf die Veränderung des Wahlverhaltens: Befunde auf der Aggregatebene; XI. Der Einfluss von Politikverdrossenheit auf das Wahlverhalten: Befunde auf der Individualebene; XII. Der Einfluss der Veränderung von Politikverdrossenheit auf das Wahlverhalten: Befunde auf der Individualebene; XIII. Typen der Politikverdrossenheit.