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/ 05.06.2013
Ansgar Klein / Rainer Schmalz-Bruns (Hrsg.)

Politische Beteiligung und Bürgerengagement in Deutschland. Möglichkeiten und Grenzen

Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft 1997; 520 S.; brosch., 36,- DM; ISBN 3-7890-5132-2
Die ambitionierte Demokratisierungsdiskussion der 70er Jahre kreiste um die Überzeugung, Demokratie sei erst als Lebensform angemessen verstanden. Deren Realisierbarkeit hing einerseits an der Annahme einer weitgehenden politischen Gestaltbarkeit sozialer Verhältnisse, andererseits schien die Bereitschaft zu einer - letztlich konsensual orientierten - politischen Beteiligung durch entsprechende Aufklärungsprozesse hinreichend mobilisierbar. Beide Prämissen können heute nicht mehr überzeugen, weil Globalisierung und zunehmende transnationale Verflechtungen den Geltungsbereich nationalstaatlicher Politik drastisch einschränken und zugleich sozialstrukturelle Modernisierungsprozesse eine Fragmentierung des Politischen hervorbringen, die zwischen instrumenteller Interessendurchsetzung und expressivem Individualismus oszilliert. Die Auseinandersetzung über die "demokratische Frage" sollte deshalb im engen Kontakt zwischen politischer Philosophie und Gesellschaftstheorie geführt werden; für die Herausgeber ergibt sich daraus die methodologische Perspektive einer - normative und empirisch-analytische Fragen kombinierenden - vergleichenden Demokratietheorie (7). Im Unterschied zur früheren Diskussion sollen die mit der damaligen Fixierung auf die Input-Seite einhergehenden "maximalistischen Strategien politischer Beteiligung" (35) durch einen konzeptuellen Rahmen ersetzt werden, der eine Differenzierung von politischen Ebenen und Akteuren mit der institutionellen Dimension einerseits und prozessualen bzw. materialen Politik-Kriterien andererseits verbindet. Die Auswahl der weitgehend von Politikwissenschaftlern stammenden Beiträge orientierte sich an den drei systematischen Teilfragen "nach den Bedingungen der Konsolidierung der repräsentativen Demokratie, nach den Möglichkeiten des Neuarrangements und der Umgewichtung vorhandener institutioneller Formelemente einschließlich der intelligenten Kombination der Vorzüge unterschiedlicher Typen der majoritären, konsensualen oder Konkordanzdemokratie sowie der direkten Demokratie und schließlich nach neuen Modellen einer stärker assoziativen Demokratie" (16 f.). Darauf bezogen ist die Komposition des Bandes stimmig und in der thematischen Breite sehr anregend. Insgesamt signalisieren die Überlegungen zur "reflexiven Wendung" der Demokratietheorie ein politikwissenschaftliches Selbstbewußtsein, das diese Disziplin nicht immer ausstrahlt. Inhalt: Ansgar Klein / Rainer Schmalz-Bruns: Herausforderungen der Demokratie. Möglichkeiten und Grenzen der Demokratisierung (7-38). I. Jenseits von Partizipationseuphorie und Steuerungsoptimismus. Neue Herausforderungen für Demokratie und Demokratietheorie: Manfred G. Schmidt: Komplexität und Demokratie. Ergebnisse älterer und neuerer Debatten (41-58); Wolfgang Luthardt / Arno Waschkuhn: Plebiszitäre Komponenten in der repräsentativen Demokratie. Entwicklungsstand und Perspektiven (59-87); Arthur Benz: Kooperativer Staat? Gesellschaftliche Einflußnahme auf staatliche Steuerung (88-113); Gunnar Folke Schuppert: Assoziative Demokratie. Zum Platz des organisierten Menschen in der Demokratietheorie (114-152); Herfried Münkler: Der kompetente Bürger (153-172); Emanuel Richter: Demokratie und Globalisierung. Das Modell einer Bürgergesellschaft im Weltsystem (173-202). II. Gesellschaftliche Entwicklungsdynamiken und politische Beteiligung: Bernhard Wessels: Politisierung entlang neuer Konfliktlinien? (205-230); Michael Th. Greven: Politisierung ohne Citoyens. Über die Kluft zwischen politischer Gesellschaft und gesellschaftlicher Individualisierung (231-251); Burkhard Wehner: Organisierter Dilettantismus oder demokratische Expertenkultur? Bürgerbeteiligung in der Endzeit des politischen Generalismus (252-276); Thomas Saretzki: Demokratisierung von Expertise? Zur politischen Dynamik der Wissensgesellschaft (277-313); Ulrich Sarcinelli: Demokratiewandel im Zeichen medialen Wandels? Politische Beteiligung und politische Kommunikation (314-345). III. Bürgerbeteiligung im politischen Prozeß: Arenen und Akteure: Elmar Wiesendahl: Noch Zukunft für die Mitgliederparteien? Erstarrung und Revitalisierung innerparteilicher Partizipation (349-381); Dieter Rucht: Soziale Bewegungen als demokratische Produktivkraft (382-403); Roland Roth: Die Kommune als Ort der Bürgerbeteiligung (404-447); Göttrik Wewer: Vom Bürger zum Kunden? Beteiligungsmodelle und Verwaltungsreform (448-488).
Thomas Mirbach (Mir)
Dr., wiss. Mitarbeiter, Lawaetz-Stiftung Hamburg, Lehrbeauftragter, Institut für Politische Wissenschaft, Universität Hamburg.
Rubrizierung: 2.335.412.21 Empfohlene Zitierweise: Thomas Mirbach, Rezension zu: Ansgar Klein / Rainer Schmalz-Bruns (Hrsg.): Politische Beteiligung und Bürgerengagement in Deutschland. Baden-Baden: 1997, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/6881-politische-beteiligung-und-buergerengagement-in-deutschland_9227, veröffentlicht am 01.01.2006. Buch-Nr.: 9227 Rezension drucken
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