/ 23.06.2016
Elisabeth Wehling
Politisches Framing. Wie eine Nation sich ihr Denken einredet – und daraus Politik macht
Köln: Herbert von Halem Verlag 2016 (edition medienpraxis); 222 S.; 17,99 €; ISBN 978-3-86962-208-8Welche Folgen hat es, wenn derzeit von „Flüchtlingsströmen“ oder einer „Flüchtlingswelle“ gesprochen wird? In dem sehr gut lesbaren Werk beschreibt Elisabeth Wehling, wie die Sprache unser Denken und Handeln unbewusst beeinflusst. Im ersten Teil des Buches erläutert sie zentrale theoretische Hintergründe der Kognitionswissenschaft. Diese zeigt mithilfe verschiedener Experimente, wie unser Denken, Wahrnehmen, Fühlen und Handeln von bestimmten gedanklichen Bedeutungsrahmen – sogenannten Frames – beeinflusst wird. Frames sind dabei immer selektiv, das heißt, sie heben bestimmte Merkmale und Eigenschaften hervor, während andere mögliche Assoziationen mit einem Thema nicht hervorgerufen werden. Der zweite Teil ist aktuellen Politikdebatten gewidmet, wie beispielsweise zu Steuern, Islamfeindlichkeit oder Umweltschutz. Hier veranschaulicht die Autorin auf der Grundlage von teils wohl nicht immer ganz unumstrittenen Interpretationen von Frames, welche Assoziationen bei den zentral gebrauchten Begrifflichkeiten mitschwingen. Die Metapher „Flüchtlingswelle“ suggeriere etwa, von Flüchtlingen gehe eine Bedrohung aus, sie stellten „Wassermassen“ dar, „die ohne Sinn und Verstand das Land überrollen“ (175), während die Flüchtlinge – so wie das Wasser – selbst keiner Gefahr ausgesetzt seien. Wehling unterstellt nun auf der Basis der im ersten Teil erläuterten Erkenntnisse, dass diese Assoziationen unbewusst unsere Haltung gegenüber Flüchtlingen beeinflussen. Daher fordert sie uns auf, unsere „Naivität gegenüber der Bedeutung von Sprache in der Politik abzulegen“ (18), indem wir vermehrt über den politischen Sprachgebrauch reflektieren. Sicherlich hat sie – gerade in Zeiten der Verrohung der politischen Sprache – damit Recht. Ihr Werk ist nicht nur informativ für jeden Bürger, sondern kann auch in der politischen Bildung genutzt werden. Schade ist es vor diesem Hintergrund, dass Wehling nur wenige alternative Semantiken zu den problematischen Begriffen anbietet, denn – wie sie betont – um die Verwendung von Frames und Metaphern kommen wir nicht umhin. Die Frage ist daher nur, welche wir benutzen. Ergänzt werden muss das Werk zudem noch um einem kritischen Blick auf die Leistungen der Kognitionsforschung sowie eine Erörterung der generellen Frage, wie groß der Einfluss der Semantik im Vergleich zu anderen Faktoren – etwa Inhalt oder Person – auf die politischen Entscheidungen der Bürger ist.
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Rubrizierung: 2.35 | 2.333 Empfohlene Zitierweise: Jan Achim Richter, Rezension zu: Elisabeth Wehling: Politisches Framing. Köln: 2016, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/39779-politisches-framing_48240, veröffentlicht am 23.06.2016. Buch-Nr.: 48240 Inhaltsverzeichnis Rezension druckenCC-BY-NC-SA