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/ 12.06.2013
Heike Schneider

Schlüpf doch mal in meine Haut. Acht Gespräche über Alltagsrassismus in Deutschland

Leipzig: Militzke Verlag 2011; 223 S.; 19,90 €; ISBN 978-3-86189-843-6
Die Journalistin Heike Schneider fragt Menschen, die aus Asien, Afrika und der arabischen Welt stammen, nach ihrem Leben und ihren Erfahrungen mit Fremdenfeindlichkeit in Deutschland. Dem in Teilen der Gesellschaft latent vorhandenem Rassismus stellt die Autorin die sehr persönlichen und nachdenklich stimmenden Sichtweisen der Befragten gegenüber. Mohammad Ebrahim Ardjomandi beispielsweise musste 1954 aufgrund seiner politischen Aktivitäten aus dem Iran fliehen. Während seiner Zeit als Assistenzarzt arbeitete er auf Wunsch seines Vorgesetzten außerhalb der Klinik als Psychotherapeut für Studenten. Seine Kollegen hatten allerdings den Verdacht, er arbeite nicht genug. Wie ihm eine Sekretärin später erzählte, überprüften sie anhand seines Arbeitskalenders heimlich, wie viele Patienten er behandelte – mit dem Ergebnis, dass er alleine so viele Patienten wie die vier Kollegen zusammen betreute. Ardjomani vermisst in Deutschland den Respekt vor Ausländern, die ihre Heimat aus den unterschiedlichsten Gründen verlassen haben oder fliehen mussten. Stefanie-Lahya Aukongo, eine der anderen Interviewten, kam als Tochter einer bei dem Kassinga-Massaker in Namibia verwundeten Ovambo in Berlin zur Welt. Auch sie wurde bei dem Massaker als Fötus im Mutterleib schwer verletzt, glücklicherweise in Deutschland medizinisch betreut und von Pflegeeltern aufgezogen. Aukongo, die sich selbst zwischen Windhuk, Berlin und Ovamboland verortet, begreift Heimat nicht so sehr als einen bestimmten Ort, sondern als einen psychologischen Zustand, einen Ort, an dem es einem gut geht. Dieser weit gefasste Begriff beinhaltet für sie sowohl den Reichtum als auch die Spannungen, die sich aus ihren doppelten Wurzeln ergeben. Allerdings hat Stefanie-Lahya Aukongo Fremdenfeindlichkeit unmittelbar erleiden müssen: Sie wurde im WM-Jahr 2006 im Bus auf dem Weg zu ihrem Studium von mehreren Jugendlichen angegriffen und bedroht. Niemand der anderen Fahrgäste half ihr. Sie meidet seither öffentliche Verkehrsmittel.
Marinke Gindullis (MG)
Politikwissenschaftlerin.
Rubrizierung: 2.35 Empfohlene Zitierweise: Marinke Gindullis, Rezension zu: Heike Schneider: Schlüpf doch mal in meine Haut. Leipzig: 2011, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/14498-schluepf-doch-mal-in-meine-haut_41021, veröffentlicht am 29.09.2011. Buch-Nr.: 41021 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken
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