/ 04.06.2013

Rainer Paris
Stachel und Speer. Machtstudien
Frankfurt a. M.: Suhrkamp 1998; 226 S.; 18,80 DM; ISBN 3-518-12038-7Der Band enthält zehn Aufsätze des an der FH Magdeburg tätigen Soziologen Paris, die - mit Ausnahme der Abhandlung "Über das Keifen" - in den letzten 15 Jahren schon einmal in verschiedenen Fachzeitschriften publiziert worden sind. Die Mehrheit der Aufsätze konzentriert sich - unabhängig von den jeweiligen thematischen Anlässen - auf eine mikrologische Analyse alltäglicher Machtpraktiken. Macht ist für Paris weder als Eigenschaft von Funktionssystemen noch als an Strukturen gebundene Ressource interessant; ihm geht es vielmehr um den Aufweis, daß ausgeübte Macht immer in reziproke soziale Beziehungen eingebunden ist. Damit enthält der Begriff auch weiterhin die - bekanntlich von Weber eingeführte - "Standardbedeutung" der Durchsetzung des eigenen Willens gegenüber anderen, aber der Akzent liegt jetzt auf der Situationsabhängigkeit von Machtausübung und namentlich auf den Reaktionsmöglichkeiten derjenigen, denen Macht widerfährt. Folgt man der von Paris gewählten theoretischen Einstellung, so erhält man erst dann ein angemessenes Bild des Facettenreichtums von Machtpraktiken, wenn man auf eine vorschnelle Moralisierung des Phänomens verzichtet (7 f.). Und tatsächlich besteht die Leistung dieser auch sprachlich überzeugend formulierten Studien in der phänomenologisch genauen und zugleich alltagsnahen Unterscheidung "normaler" Machtformen. Ob es sich um die Variationsbreite von Drohungen (13 ff.), um Machttechniken politischen Protests (57 ff., 90 f.) oder um die strategischen Einsatzmöglichkeiten von Lob (152 ff.) handelt - Macht erscheint stets als Interaktion, die ohne Mitwirkung der jeweils anderen Seite nicht zustande käme.
Inhalt: Zurücklehnen; Drohungen. Über eine Methode der Interaktionsmacht (gemeinsam mit Wolfgang Sofsky); Der kurze Atem der Provokation; Vermummung; Eine Gretchenfrage. Sachverständige als Problem; Dreierlei Schimpfklatsch. Über Dauergerede und Selbstverhetzung; Solidarische Beutezüge. Zur Theorie der Seilschaft; Die Politik des Lobs; Negatives Organisieren. Das Muster der Intrige; Über das Keifen.
Thomas Mirbach (Mir)
Dr., wiss. Mitarbeiter, Lawaetz-Stiftung Hamburg, Lehrbeauftragter, Institut für Politische Wissenschaft, Universität Hamburg.
Rubrizierung: 2.2 | 2.22 | 2.37
Empfohlene Zitierweise: Thomas Mirbach, Rezension zu: Rainer Paris: Stachel und Speer. Frankfurt a. M.: 1998, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/4179-stachel-und-speer_5892, veröffentlicht am 01.01.2006.
Buch-Nr.: 5892
Rezension drucken
Dr., wiss. Mitarbeiter, Lawaetz-Stiftung Hamburg, Lehrbeauftragter, Institut für Politische Wissenschaft, Universität Hamburg.
CC-BY-NC-SA