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/ 22.06.2013
Jacques Rancière

Moments politiques. Interventionen 1977-2009. Aus dem Französischen von Ellen Antheil und Richard Steurer

Zürich: diaphanes 2011 (transpositionen 42); 220 S.; 24,90 €; ISBN 978-3-03734-146-9
Auch wenn gemeinhin der Begriff der Postdemokratie mit Colin Crouchs gleichnamigem Buch verbunden wird, so ist ihm doch Jacques Rancière hinsichtlich der analytischen Durchdringung des Zusammenhangs von neoliberaler Argumentation und Entpolitisierung zumindest ebenbürtig. Dabei ist Rancière mit seiner Vorstellung von Politik und Demokratie von nichts so weit entfernt wie von der Entpolitisierung. Das belegt dieser Band mit all seinen Schlaglichtern aus kleineren und größeren Debatten der vergangenen 35 Jahre überaus eindrucksvoll: Die Hitzewelle von 2003 mit ihren mehreren Tausend Toten allein im Großraum Paris ist genauso politisch verhandlungsbedürftig wie der 11. September 2001 oder die politische Philosophie selbst. Und so erweist sich die Sammlung von Interviews, Artikeln und Essays als eine wunderbare Fundgrube für die Rekonstruktion jenes systematischen Nachdenkens über Politik in Gesellschaft, wie Rancière es versteht. Politik ist ihm immer Gelegenheitspolitik, sie ist eingebunden in die gesellschaftlichen Bedingungen, die ihrerseits die politische Artikulation erfordern, ja herausfordern: „Diese Gelegenheitstexte sind selbst von der Idee getragen, dass es keine Politik außerhalb der Gelegenheiten gibt, die jeweils dazu zwingen, die Politik wahrzunehmen.“ (12) Die Konsequenz aus dem Gesagten – es „gibt keine politische Theorie“ (13) – verdeutlicht dann noch einmal die Stoßrichtung der Kritik Rancières, die sich vehement gegen eine homogene, effiziente, bloß noch vollzogene Staatsverwaltung wendet. Politik ist ein pluralistisches, ein praktisches und damit notwendig auch ein kontroverses Geschehen in Permanenz. Eine Theorie – insbesondere wenn sie sich versteht wie gegenwärtig etwa der Neoliberalismus mit seinem Primat der individuellen Nutzenmaximierung und der damit einhergehenden Staatsreduktion – kann dann nur apolitisch sein.
Matthias Lemke (LEM)
Dr. phil., Politikwissenschaftler (Soziologe, Historiker), wiss. Mitarbeiter, Institut für Politikwissenschaft, Helmut-Schmidt-Universität Hamburg.
Rubrizierung: 5.425.462.2 Empfohlene Zitierweise: Matthias Lemke, Rezension zu: Jacques Rancière: Moments politiques. Zürich: 2011, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/35028-moments-politiques_42154, veröffentlicht am 03.05.2012. Buch-Nr.: 42154 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken
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