Der von der Bundesregierung im Mai 2001 vorgelegte Armutsbericht ("Lebenslagen in Deutschland: der erste Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung". Bonn BMA) hat mit der bis dahin auf Ebene des Bundes geltenden Sichtweise gebrochen, Armut sei ein randständiges Problem. Dass die zunehmende Bedeutung von Armut nicht unabhängig von ökonomischen und verteilungspolitischen Entwicklungen zu sehen ist, hatten zuvor freilich schon einschlägige Studien des DGB und der Wohlfahrtsverbände behauptet. Das Memorandum der Loccumer Initiative, einem Zusammenschluss von Wissenschaftlern aus Hannover, Bremen und Göttingen, möchte "eine Diskussion über die unterschlagene Wirklichkeit von Armut in einem reichen Land in Gang setzen und dazu beitragen, die Ambivalenzen weiter Teile der Bevölkerung politisch wieder bearbeitbar zu machen" (45). In kritischer Auseinandersetzung mit dem Armutsbericht werden Thesen zur gegenwärtigen Armutspolitik formuliert, einige empirische Tendenzen von Armuts- wie Reichtumsentwicklung erörtert und schließlich konkrete Forderungen zur Bekämpfung von Verarmung entwickelt. Inhaltsverzeichnis: Oskar Negt: Armut als unterschlagene Wirklichkeit (7-30). I. Verarmung, Entsolidarisierung und Ausgrenzung im Kapitalismus unserer Zeit: 1. Armut - ein randständiges Thema; 2. Standortwettbewerb gegen soziale Gerechtigkeit; 3. Kommerzialisierung aller Lebensbereiche; 4. Wer kümmert sich um die Armen? II. Armut und Reichtum in Deutschland: 1. Zum Ausmaß der Armut; 2. Zur Bedeutung des Bundessozialhilfegesetzes und zur Problematik von Reformen des Sozialhilferechtes; 3. Armut hat viele Gesichter; 4. Armutskreisläufe; 5. Reichtum für eine Minderheit. III. Armut und menschliche Würde - was politisch gegen Verarmung getan werden kann und muß: 1. Materielle Existenzsicherung; 2. Kritik an der derzeitigen Fassung und beabsichtigten Weiterentwicklung des GSiG; 3. Politik der sozialen Unterstützung für Arme; 4. Effizienz und Zielgenauigkeit einer Politik gegen Armut; 5. Finanzierungsspielräume; 6. Arme stärken - Wege zur konkreten Solidarität.