/ 03.06.2013
Herlinde Pauer-Studer
Das Andere der Gerechtigkeit. Moraltheorie im Kontext der Geschlechterdifferenz
Berlin: Akademie Verlag 1996; 295 S.; 98,- DM; ISBN 3-05-003087-9Phil. Habilitationsschrift Universität Wien. - Der Wandel des Geschlechterverhältnisses im Zuge sozialer Veränderungsprozesse stellt die zeitgenössische Philosophie vor eine besondere Herausforderung. Anliegen der Autorin ist es, einen Beitrag zu einer umfassenderen Moralkonzeption zu leisten, die sich - wie von Feministinnen eingefordert - an der Diskriminierung von Frauen und ungleichen Lebenschancen von Frauen und Männern orientiere und so explizit auch Fraueninteressen und -perspektiven berücksichtige. Um das Hineinspielen des traditionellen Geschlechterverständnisses in die Moralphilosophie transparent zu machen, werden in einem ersten Schritt ausgehend von Carol Gilligan die prominentesten feministischen und, aufgrund teilweise kongruenter Standpunkte, kommunitaristischen Kritikpunkte an gängigen formal-universalistischen Moraltheorien vorgestellt und diskutiert - beide Positionen belaufen sich nicht zuletzt auf die Forderung nach einer Erweiterung der Moraltheorie auf Fragen des Guten.
In einem zweiten Schritt wird sodann aufgezeigt, welche theoretischen Rahmenbedingungen notwendig sind, um die patriarchalische Geschlechterordnung zu transzendieren. Um Phänomenen gesellschaftlicher Diskriminierung etwas entgegensetzen zu können, ist für Pauer-Studer eine universalistische Moralkonzeption unverzichtbar. Gleichwohl müssen ihres Erachtens in einer Moraltheorie, der es an der Einbeziehung der Sichtweisen von Frauen mit dem Ziel einer Überwindung asymmetrischer Lebenschancen gelegen ist, die in den dominierenden ethischen Konzeptionen vernachlässigten Alltagszusammenhänge und altruistischen Werte berücksichtigt werden. Ansatzpunkt ihres Modifikationsversuches bildet zunächst die Kantische Prinzipienmoral, die sie um Humes empfindungsbezogene Tugenden zu erweitern sucht. Sodann setzt sie sich mit der Moralkonzeption Tugendhats auseinander, um schlußendlich über diesen hinausgehend zu einer ethischen Theorie zu gelangen, die eine Minimalkonzeption des Guten in Form von allgemein menschlichen Grundbedingungen eines guten Lebens umfaßt.
Julia Schmidt-Häuer (JSH)
Dr., Referentin im wissenschaftlichen Dienst der SPD-Bürgerschaftsfraktion in Bremen.
Rubrizierung: 2.27 | 2.23
Empfohlene Zitierweise: Julia Schmidt-Häuer, Rezension zu: Herlinde Pauer-Studer: Das Andere der Gerechtigkeit. Berlin: 1996, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/2673-das-andere-der-gerechtigkeit_3507, veröffentlicht am 01.01.2006.
Buch-Nr.: 3507
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Dr., Referentin im wissenschaftlichen Dienst der SPD-Bürgerschaftsfraktion in Bremen.
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