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/ 22.06.2013
Julian Böcker

Demokratiedefizit der Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU? Analyse des deutschen, britischen und Europäischen Parlaments

Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft 2012; 281 S.; 49,- €; ISBN 978-3-8329-7206-6
Politikwiss. Diss. Duisburg-Essen; Begutachtung: H.-J. Axt, T. Debiel. – Dass die EU ein Demokratiedefizit aufweist, gilt gemeinhin als Tatsache. Auf einen Politikbereich wie dem der traditionell exekutivlastigen Sicherheits- und Verteidigungspolitik scheint dies erst recht zuzutreffen. Doch wie sieht die Einschätzung der von einer Entdemokratisierung oder Entparlamentarisierung direkt betroffenen Parlamentarier aus? Nehmen die Abgeordneten der nationalen Parlamente und des Europäischen Parlamentes ein solches Defizit wahr und wenn ja, in welcher Form? Böcker untersucht dies mithilfe von 34 qualitativen Experteninterviews mit Abgeordneten des Deutschen Bundestages, des britischen Unterhauses und des Europäischen Parlaments. Im ersten Abschnitt des Buches beschäftigt er sich aber zunächst mit der theoretischen Debatte zum Demokratiedefizit, der Entstehung einer gemeinsamen Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GASP/GSVP) sowie der Debatte zu ihrer Legitimität. Erst in der zweiten Hälfte widmet er sich den drei erwähnten Parlamenten und gelangt zu folgenden Ergebnissen: Die MdBs sehen zwar Verbesserungsbedarf hinsichtlich der Kompetenzen des EPs, halten aber das deutsche Leitbild einer parlamentarischen Verteidigungspolitik für vorbildlich, weil es die demokratische Kontrolle der Regierung mit der Möglichkeit verbinde, Entscheidungen schnell zu treffen. Anders sieht die Bewertung in London aus: Obwohl das Unterhaus nicht über so weitreichende Kompetenzen verfüge wie der Bundestag, werde dort die These eines Informations- oder Kontrolldefizits verneint. Eine Stärkung des EPs sehen die britischen Abgeordneten sehr viel skeptischer als die des Bundestages. Das Europäische Parlament sei, so Böcker, bereits durch die Einrichtung eines Unterausschusses (SEDE) erstaunlich gut informiert über die GSVP. Kontrollieren oder gar mitgestalten können die Mitglieder des Europäischen Parlaments die GSVP aber kaum. Interessanterweise fordern die befragten Europa-Abgeordneten auch keine Stärkung des EPs in diesem Politikbereich. Im Fazit warnt Böcker davor, vorschnell ein Demokratiedefizit zu konstatieren. Es müsse nicht nur um institutionelle Reformen gehen, sondern auch darum, die bereits bestehenden, national unterschiedlichen Beteiligungsregelungen „so zu gestalten, dass sie von den Bürgern als […] legitim wahrgenommen werden“ (245).
Sebastian Galka (SGA)
Doktorand, Institut für Sozialwissenschaften (Bereich Politikwissenschaft), Universität Kiel.
Rubrizierung: 3.63.43.7 Empfohlene Zitierweise: Sebastian Galka, Rezension zu: Julian Böcker: Demokratiedefizit der Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU? Baden-Baden: 2012, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/35034-demokratiedefizit-der-sicherheits--und-verteidigungspolitik-der-eu_42161, veröffentlicht am 01.11.2012. Buch-Nr.: 42161 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken
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