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/ 20.06.2013
Geert Mak

Der Mord an Theo van Gogh. Geschichte einer moralischen Panik. Aus dem Niederländischen von Marlene Müller-Haas

Frankfurt a. M.: Suhrkamp 2005 (edition suhrkamp 2463); 106 S.; 8,- €; ISBN 3-518-12463-3
Mak konstatiert, dass der islamistisch motivierte Mord an dem Filmemacher Theo van Gogh am 2. November 2004 in den Niederlanden eine radikale Veränderung des politischen Klimas bewirkt habe. Die Auswirkungen auf den Alltag seien jedoch weit weniger gravierend gewesen als es die Intensität der medialen Debatte vermuten ließ. Nach dem Mord sei in den Medien ein pauschalierendes und einseitiges Bild eines aggressiven Islams gezeichnet worden. So sei ein Klima der Angst und der Bedrohung entstanden sowie ein bislang unbekanntes Ausmaß an Fremdenfeindlichkeit zu Tage getreten. Pikanterweise habe ausgerechnet der Auslöser für den Mord, der Film „Submission Part I“, den van Gogh für die islamkritische Aktivistin Ayaan Hirsi Ali gedreht hatte, zur Verfestigung dieses eindimensionalen Feindbildes beigetragen; vor allem von der Rechten sei er als Beleg für die generelle Rückständigkeit und Frauenfeindlichkeit des Islams gewertet worden. Sowohl in dem Film als auch in der medialen Debatte allgemein werde das Verhalten einzelner Gruppierungen als konstitutiv für die Religion überhaupt dargestellt. Dieses Vorgehen habe strukturelle Ähnlichkeiten mit den Methoden der antijüdischen Propaganda der Nationalsozialisten. Das Klima der Angst und der undifferenzierten Abwehr des Islams habe umgekehrt in einigen Fällen zu einer Islamisierung vormals weitgehend säkularisierter Moslems geführt; das imaginäre Feindbild habe die reale Islamisierung der in den Niederlanden lebenden Moslems sozusagen erst selbst erzeugt. Nur die traditionelle niederländische Toleranz biete einen Ausweg aus der sich aufschaukelnden Feindschaft zwischen den Bevölkerungsgruppen. Notwendig seien ein offener Umgang miteinander und eine aktive Integrationspolitik, die nicht einseitig auf Assimilierung setze, sondern Integration bei gleichzeitigem Erhalt der kulturellen und religiösen Identität ermögliche.
Silke Becker (BE)
Dipl.-Soziologin; freie Journalistin.
Rubrizierung: 2.612.232.25 Empfohlene Zitierweise: Silke Becker, Rezension zu: Geert Mak: Der Mord an Theo van Gogh. Frankfurt a. M.: 2005, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/25010-der-mord-an-theo-van-gogh_28929, veröffentlicht am 25.06.2007. Buch-Nr.: 28929 Rezension drucken
CC-BY-NC-SA
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