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/ 18.06.2013
Luc Boltanski / Ève Chiapello

Der neue Geist des Kapitalismus. Aus dem Französischen von Michael Tillmann

Konstanz: UVK Verlagsgesellschaft mbH 2003 (édition discours 30); 735 S.; geb., 49,- €; ISBN 3-89669-991-1
Den Soziologen Boltanski, ehemaliger Bourdieu-Schüler, und Chiapello geht es sowohl um eine eigene Interpretation der Reproduktion des neuen, globalen Kapitalismus wie um eine Stärkung der über Kritik vermittelten kollektiven Handlungsfähigkeit gegenüber den Schädigungen, die diese kapitalistische Vergesellschaftung in der Lebenswelt auslöst. Ausgangspunkt ihrer Überlegungen ist die von vielen geteilte Beobachtung, dass - nach dem Zusammenbruch der sozialistischen „Illusion“ - ein großer Kontrast zwischen dem wieder erstarkten Kapitalismus und der offenkundigen Hilflosigkeit von Sozialkritik besteht. Da diese Lähmung primär ideologischer Natur ist, konzentrieren die Autoren sich, an die Perspektiven von Max Weber und Albert Hirschman anknüpfend, auf eine Rekonstruktion des neuen kapitalistischen Geistes. Weil die Eigenlogik des Kapitalismus auf einer Trennung von Wirtschaft und Moral beruht, ist der kapitalistische Koordinationsmodus sozialen Handelns auf eine ihn legitimierende lebensweltliche Verankerung angewiesen. Dementsprechend definieren die Autoren den „Geist des Kapitalismus“ als eine Ideologie, „die das Engagement für den Kapitalismus rechtfertigt“ (43). Diese ideologische Absicherung bleibt jedoch stets - das ist grundlegende Prämisse der Studie - auf Begründungen angewiesen, die eigenständigen Rechtfertigungssystemen entstammen und nur in streitiger Auseinandersetzung gewonnen werden können. Boltanski/Chiapello beziehen diesen theoretischen Rahmen auf den Fall Frankreichs, indem sie - auf Basis einer Textanalyse von Managementliteratur - die neue ideologische Konfiguration des Kapitalismus der 90er-Jahre analysieren und davon die Entstehung eines vernetzten, projektbasierten Rechtfertigungssystems abheben. In den beiden folgenden Teilen befassen sie sich zunächst mit der schrittweisen „Entwaffnung der Kritik“ vor dem Hintergrund der Dekonstruktion der Arbeitswelt und entwerfen dann neue Formen von Kritik, die, u. a. durch eine Aktualisierung des Ausbeutungsbegriffs, auf die Gestaltung neuer Gerechtigkeitsstrukturen gerichtet sind.
Thomas Mirbach (MIR)
Dr., wiss. Mitarbeiter, Lawaetz-Stiftung Hamburg, Lehrbeauftragter, Institut für Politische Wissenschaft, Universität Hamburg.
Rubrizierung: 5.452.22 Empfohlene Zitierweise: Thomas Mirbach, Rezension zu: Luc Boltanski / Ève Chiapello: Der neue Geist des Kapitalismus. Konstanz: 2003, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/19664-der-neue-geist-des-kapitalismus_22882, veröffentlicht am 25.06.2007. Buch-Nr.: 22882 Rezension drucken
CC-BY-NC-SA
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