/ 28.04.2016
Michael Zok
Die Darstellung der Judenvernichtung in Film, Fernsehen und politischer Publizistik der Volksrepublik Polen 1968-1989
Marburg: Verlag Herder-Institut 2015 (Studien zur Ostmitteleuropaforschung 34); X, 328 S.; 57,- €; ISBN 978-3-87969-387-0Diss. Gießen; Begutachtung: P. Haslinger, H.‑J. Bömelburg. – Bei der Formierung der kollektiven Erinnerung an die Judenvernichtung spielen audiovisuelle Massenmedien eine große Rolle. Vor diesem Hintergrund untersucht Michael Zok, wie in Polen der Holocaust in Film und Fernsehen dargestellt wurde. Zur Bewertung der Wirkung schließt er auch die öffentlichen Reaktionen auf die Sendungen mit in seine Analyse ein. Seinen Untersuchungszeitraum spannt er von 1968, als eine antisemitische Kampagne in Polen angestoßen wurde, bis 1989, dem Ende der Erinnerungspolitik unter dem Einfluss der kommunistischen Partei. Er kommt zu dem Ergebnis, dass sich die Filme und TV‑Sendungen in diesem Zeitraum „vor allem der Darstellung des polnischen Leidens während des Krieges widmeten; die Thematisierung und Inszenierung einer genuin jüdischen Erfahrung der Besatzungszeit geschah nur am Rande und machte die Singularität der Judenvernichtung nicht zum Thema“. Es gab „klare Dichotomien von Figurenkonstellationen (aktive, widerständige Polen – passive Juden; polnische Opfer – deutsche Täter)“ (269). Drei Aspekte des nationalen Narrativs, das Politik und Gesellschaft teilten und das von den Massenmedien reproduziert wurde, arbeitet der Autor heraus: Die polnische Nation habe sich in ihrer Gesamtheit in permanentem Widerstand gegen das NS‑Regime befunden, sie sei insgesamt vom Massenterror durch das NS‑Regime bedroht gewesen und sie habe sich mit der jüdischen Bevölkerung trotz der schwierigen Lage solidarisiert. Damit wurde das „Bild einer aufopferungsvollen polnischen Gesellschaft“ (270) kreiert. Kollaborationen mit dem NS‑Regime oder andere negative Handlungswiesen gegenüber Juden wurden nicht thematisiert. Schließlich war es die Serie „Holocaust“ (1978) und der Film „Shoah“ (1985), beides nicht‑polnische Produktionen, die die bisherige Erzählung infrage stellten, indem sie die Grenzen des bisherigen Diskurses überschritten. Die Serie „Holocaust“ erschütterte die Vorstellung von der Abwesenheit politischer und militärischer Kollaboration. Der Film „Shoah“ zeigte, dass auch die polnische Bevölkerung nicht frei von Antisemitismus gewesen ist und brachte neben den Opfern und Tätern noch eine weitere Kategorie, die „bystanders“, hervor. Ohne den einsetzenden Machtverlust der kommunistischen Partei wäre aber die erschütternde Wirkung beider Produktionen nicht denkbar gewesen, meint der Autor.
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Rubrizierung: 2.61 | 2.22 | 2.23 | 2.25 Empfohlene Zitierweise: Jessica Burmester, Rezension zu: Michael Zok: Die Darstellung der Judenvernichtung in Film, Fernsehen und politischer Publizistik der Volksrepublik Polen 1968-1989 Marburg: 2015, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/39636-die-darstellung-der-judenvernichtung-in-film-fernsehen-und-politischer-publizistik-der-volksrepublik-polen-1968-1989_48140, veröffentlicht am 28.04.2016. Buch-Nr.: 48140 Inhaltsverzeichnis Rezension druckenCC-BY-NC-SA