/ 17.06.2013

Maurizio Bach (Hrsg.)
Die Europäisierung nationaler Gesellschaften
Wiesbaden: Westdeutscher Verlag 2000 (Kölner Zeitschrift für Soziologie und Sozialpsychologie: Sonderheft 40); 515 S.; brosch., 50,11 €; ISBN 3-531-13591-0Analysen zum Prozess der europäischen Integration sind bisher in der Hauptsache von der Rechts-, Wirtschafts- oder Politikwissenschaft vorgelegt worden; im Zentrum des Interesses standen dabei aus nahe liegenden Gründen Fragen des Staats- und Verfassungsrechts, der Konsequenzen der Wirtschafts- und Währungsunion sowie solche nach Entscheidungsprozessen und demokratischen Standards im europäischen Mehrebenensystem. Für die Soziologie hingegen - so der Herausgeber - stellte die europäische Integration eher ein Randthema dar (13); nicht zuletzt deshalb, weil sich die soziologische Perspektive - aufgrund ihrer Indifferenz gegenüber politischen Ordnungen (14) - nur schwer auf das Thema eines politisch-institutionell induzierten sozialen Wandels einstellen könne. Das Unterfangen, in dieses "soziologisch noch weitgehend unerschlossene[...] Gelände" vorzudringen (14), bindet dieses Sonderheft - angesichts einschlägiger Publikationen der Nachbardisziplinen - an einen hohen Anspruch: Es solle "als einer der ersten umfassenderen Versuche zur 'Soziologisierung' des Forschungsfeldes der 'europäischen Integration' verstanden" werden (29). "Soziologisierung" würde in diesem Kontext mindestens zweierlei bedeuten: Einerseits muss sich der Fokus stärker als in bisherigen Forschungen auf Analyse und Beurteilung der gesellschaftlichen Folgen der voranschreitenden Europäisierung richten, andererseits müsste dabei zugleich die in makrosoziologischen Sozialstrukturanalysen üblicherweise unterstellte Bezugseinheit des Nationalstaates aufgegeben werden (14 f.). Diese Absichten lassen sich besonders an den Beiträgen über "Politische Öffentlichkeiten" (277 ff.) und denen über "Gesellschaftstheoretische Perspektiven" (403 ff.) überprüfen.
Inhalt: I. Einleitung: Maurizio Bach: Die Europäisierung der nationalen Gesellschaft? Problemstellungen und Perspektiven einer Soziologie der europäischen Integration (11-35). II. Institutionenbildung und Institutionenkonflikte in der EU: Paul Windolf: Wer ist Schiedsrichter in der Europäischen Union? Der Konflikt zwischen Europäischem Gerichtshof und Bundesverfassungsgericht (39-67); Rainer Weinert: Voluntarismus, Oligarchisierung und institutionelle Entkopplung. Institutionenbildung und Institutionenpolitik der Europäischen Zentralbank (68-92); Franz Traxler: Das Tarifverhandlungssystem in der Wirtschafts- und Währungsunion: Von nationalen zu supranationalen Institutionen? (93-111); Thomas König / Thomas Bräuninger: Europa am Scheideweg? Erweiterungen und die Handlungsfähigkeit der Union (112-129); Sonja Puntscher Riekmann: Die Meister und ihr Instrument. Institutionenkonflikte und Legitimitätsprobleme in der Europäischen Union (130-151). III. Marktbildung, Konvergenz und Sozialintegration in Europa: Patrick Ziltener: Regionale Integration im Weltsystem. Die Relevanz exogener Faktoren für den europäischen Integrationsprozess (155-177); Volker Bornschier: Ist die Europäische Union wirtschaftlich von Vorteil und eine Quelle beschleunigter Konvergenz? Explorative Vergleiche mit 33 Ländern im Zeitraum von 1980 bis 1998 (178-204); Richard Münch: Strukturwandel der Sozialintegration durch Europäisierung (205-225). IV. Nationaler und europäischer Bürgerstatus: Thomas Faist: Soziale Bürgerschaft in der Europäischen Union: Verschachtelte Mitgliedschaft (229-250); Theresa Wobbe: Die Koexistenz nationaler und supranationaler Bürgerschaft. Neue Formen politischer Inkorporation (251-274). V. Politische Öffentlichkeiten in Europa: Jürgen Gerhards: Europäisierung von Ökonomie und Politik und die Trägheit der Entstehung einer europäischen Öffentlichkeit (277-305); Klaus Eder / Cathleen Kantner: Transnationale Resonanzstrukturen in Europa. Eine Kritik der Rede vom Öffentlichkeitsdefizit (306-331); Hans-Jörg Trenz: Korruption und politischer Skandal in der EU. Auf dem Weg zu einer europäischen politischen Öffentlichkeit? (332-359). VI. Migration in Europa: Felicitas Hillmann: Von internationalen Wanderungen zu transnationalen Migrationsnetzwerken? Der neue europäische Wanderungsraum (363-385); Verónica Tomei: Grenzabbau und Neukonstruktion im europäischen Migrationsraum (386-399). VII. Gesellschaftstheoretische Perspektiven: Arndt Sorge: Gesellschaftliche Effekte bei der Globalisierung von Handlungshorizonten in Europa (403-428); Mathias Bös: Zur Kongruenz sozialer Grenzen. Das Spannungsfeld von Territorien, Bevölkerungen und Kulturen in Europa (429-455); Hans Geser: Zuviel Gemeinschaft in der Gesellschaft? Europa in der Zwangsjacke entdifferenzierender kommunitaristischer Integration (456-480); Stefan Immerfall: Fragestellungen einer Soziologie der europäischen Integration (481-503).
Thomas Mirbach (MIR)
Dr., wiss. Mitarbeiter, Lawaetz-Stiftung Hamburg, Lehrbeauftragter, Institut für Politische Wissenschaft, Universität Hamburg.
Rubrizierung: 3.1 | 3.4 | 3.3
Empfohlene Zitierweise: Thomas Mirbach, Rezension zu: Maurizio Bach (Hrsg.): Die Europäisierung nationaler Gesellschaften Wiesbaden: 2000, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/15218-die-europaeisierung-nationaler-gesellschaften_17296, veröffentlicht am 01.01.2006.
Buch-Nr.: 17296
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Dr., wiss. Mitarbeiter, Lawaetz-Stiftung Hamburg, Lehrbeauftragter, Institut für Politische Wissenschaft, Universität Hamburg.
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