/ 03.07.2014
Irena Grudzińska-Gross / Andrzej Tymowski (Hrsg.)
Eastern Europe: Continuity and Change (1987-1995) Editorial assistance by Elisabeta Pop
Frankfurt a. M. u. a.: Peter Lang 2014 (Eastern European Culture, Poltics and Societies 5); 302 S.; 47,95 €; ISBN 978-3-631-64700-4Der politische Umbruch in Ostmittel‑ und Osteuropa in den 1980er‑ und 1990er‑Jahren wurde in den USA durch die 1987 gegründete Zeitschrift East European Politics and Societies (heute: East European Politics and Societies and Cultures) begleitet. Darin publizierten maßgebliche europäische Intellektuelle, wie der polnische Soziologe Zygmunt Bauman und der britische Historiker Tony Judt, aber auch direkt beteiligte Akteure wie der tschechische Wirtschaftswissenschaftler und spätere Politiker Václav Klaus. 13 Beiträge aus der Zeit bis 1995 werden „als eine Art Dossier“ nebeneinandergestellt, „das die Ereignisse [jener Zeit] an sich dokumentiert, aber auch die mentale Bewegungsbahn [trajectory] einer internationalen Gemeinschaft von Wissenschaftlern und von an ihnen beteiligten Akteuren“ (7). Eine knappe Einleitung skizziert das Umfeld der ursprünglichen Veröffentlichung und lässt die Texte ansonsten für sich sprechen. Der Abdruck erfolgt dabei nicht chronologisch, sondern thematisch gegliedert in drei Abschnitte: „Before the Change“, „Alternative Futures“ und „The Legacies of the Past“. Dabei werden einige damalige Entwicklungsmöglichkeiten deutlich, die unrealisiert blieben und dem Leser heute sehr fern scheinen. Der ungarische Philosoph Ferenc Fehér etwa griff im September 1989 die zeitgenössische, von den Publizisten und Schriftstellern Milan Kundera und György Konrad angestoßene Mitteleuropa‑Debatte auf. Dabei thematisierte er unter anderem das von seiner Kollegin Ágnes Heller und ihm so genannte Rapallo‑Szenario des linken Flügels der SPD unter Oskar Lafontaine, bei dem ein Ausgleich mit der Sowjetunion durch die Erklärung einer deutschen Neutralität und den Austritt aus der NATO diskutiert wurde. Eine deutsche Vereinigung war für Fehér dabei nicht zu erwarten, bereits die Schaffung einer „speziellen Beziehung“ zwischen Ost‑ und Westdeutschland etwa in Form einer „symbolisch‑kulturellen Konföderation“ (106) erschien ihm als das „problematischste aller Szenarien“ (107). Ein halbes Jahr später entwickelte der Soziologe Iván Szelényi Zukunftsvorstellungen vor allem für den ungarischen Staat. Dabei sprach er sich unter Rückgriff auf politische Denker der Zwischenkriegszeit für einen Dritten Weg aus, verstanden als eine „sozio‑ökonomische Strategie, die hauptsächlich auf eine Verbürgerlichung [embourgeoisement] im Rahmen des Nationalstaates“ (146) zielte und von der er sich die stabilsten Entwicklungsperspektiven für sein Heimatland versprach.
Martin Munke (MUN)
M. A., Europawissenschaftler (Historiker), wiss. Hilfskraft, Institut für Europäische Studien / Institut für Europäische Geschichte, Technische Universität Chemnitz.
Rubrizierung: 2.61 | 2.2
Empfohlene Zitierweise: Martin Munke, Rezension zu: Irena Grudzińska-Gross / Andrzej Tymowski (Hrsg.): Eastern Europe: Continuity and Change (1987-1995) Frankfurt a. M. u. a.: 2014, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/37263-eastern-europe-continuity-and-change-1987-1995_45832, veröffentlicht am 03.07.2014.
Buch-Nr.: 45832
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M. A., Europawissenschaftler (Historiker), wiss. Hilfskraft, Institut für Europäische Studien / Institut für Europäische Geschichte, Technische Universität Chemnitz.
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