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/ 22.06.2013
Armina Galijaš

Eine bosnische Stadt im Zeichen des Krieges. Ethnopolitik und Alltag in Banja Luka (1990-1995)

München: Oldenbourg Wissenschaftsverlag 2011 (Südosteuropäische Arbeiten 142); 352 S.; 44,80 €; ISBN 978-3-486-70548-5
Diss. Wien; Begutachtung: O. J. Schmitt, A. Suppan. – Noch zwei Jahrzehnte nach Beginn des Krieges in Bosnien-Herzegowina werden die politischen und gesellschaftlichen Verhältnisse des Landes von einem exklusiv ethno-nationalen Denken beherrscht. Umso wichtiger erscheint es, die Wurzeln dieses beharrlichen Phänomens aufzuspüren, das auf die Spätphase des jugoslawischen Staates zurückgeht und im Bosnienkrieg zwischen 1992 und 1995 zu Zehntausenden von Todesopfern unter den verfeindeten Ethnien führte. Dieser Band konzentriert sich im Gegensatz zu den das Thema dominierenden Makrostudien auf die bosnische Stadt Banja Luka, die sich von einer „Musterstadt des gelebten Jugoslawismus“ (17) zu Beginn der 1990er-Jahre in die heute nahezu ausschließlich von Serben besiedelte Hauptstadt der Republika Srpska verwandelte. Im Mittelpunkt steht die Frage, wie es den serbisch-nationalen Eliten gelingen konnte, das lange friedliche Zusammenleben von Serben, Bosniaken und Kroaten in der Stadt zu zerstören. Anschaulich wird unter Verwendung einer Vielzahl von Quellen, insbesondere aber Interviews und Augenzeugenberichten, beschrieben, wie die Eliten das Leben der Stadtbewohner sukzessive mit einer „ethnischen Matrix“ (73) überzogen und damit bei der vom Staatszerfall verängstigten und kollektivistisch geprägten serbischen Mehrheitsbevölkerung auf Zustimmung stießen. Ohne dass die Stadt direkt vom Krieg betroffen wurde, fand so durch einen gezielten Urbizid, den forcierten Wegzug von Bosniaken und Kroaten sowie durch deren Ersetzung mit serbischer Landbevölkerung, eine „komplette Umwandlung der Gesellschaft und des Alltags“ (299) in Banja Luka statt. Der gewählte zweigleisige Ansatz aus einer system- und einer alltagsorientierten Herangehensweise hat dabei den Vorteil, das aus westlicher Sicht oft als völlig irrational angesehene, aber so beharrliche Gegeneinander der einzelnen Volksgruppen verständlicher zu machen. Das einst friedliche multiethnische Miteinander im jugoslawischen Vielvölkerstaat wurde so vor zwei Jahrzehnten durch den völligen Bruch mit den vormaligen politischen, kulturellen und demografischen Gegebenheiten unmöglich gemacht.
André Härtel (ANH)
Dr., wiss. Mitarbeiter, Institut für Politikwissenschaft, Friedrich-Schiller-Universität Jena.
Rubrizierung: 2.612.252.222.23 Empfohlene Zitierweise: André Härtel, Rezension zu: Armina Galijaš: Eine bosnische Stadt im Zeichen des Krieges. München: 2011, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/33821-eine-bosnische-stadt-im-zeichen-des-krieges_40523, veröffentlicht am 09.02.2012. Buch-Nr.: 40523 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken
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