/ 17.06.2013
Anne Peters
Elemente einer Theorie der Verfassung Europas
Berlin: Duncker & Humblot 2001 (Veröffentlichungen des Walther-Schücking-Instituts für Internationales Recht an der Universität Kiel 137); 889 S.; 82,- €; ISBN 3-428-10602-4Rechtswiss. Habilitationsschrift. - Peters legt eine materialreich abgesicherte und elegant argumentierende Theorie der Verfassung Europas vor, die sowohl in ihrer rechtswissenschaftlichen Systematik als auch ihren ideengeschichtlichen und sozialwissenschaftlichen Bezügen überzeugt. Ihr geht es nicht um die konkreten Inhalte oder das „Verfassungsdesign" (37), sondern um den Stellenwert und die Bedingungen der Möglichkeit einer europäischen Verfassung. Die Existenz und Eigentümlichkeit des Konzepts einer europäischen Verfassung wird dabei nicht zuletzt durch die pragmatische Öffnung des Verfassungsbegriffs für die relevanten Entwicklungen auf europäischer Ebene ermöglicht. Der „Ablösung der Verfassung vom Staat" (93 ff.) ist ein ganzes Kapitel gewidmet. Danach „ist die Souveränität eines Hoheitsträgers keine Verfassungsvoraussetzung mehr" (164). Anstelle formeller Kriterien, die allzu eng an einen (jedoch auch nicht einheitlichen) staatlichen Bezugsrahmen gebunden sind, verweist Peters auf die Funktion und Bewährung als Kriterien zur Bestimmung des Vorliegens einer Verfassung. Dies bedeutet eine nicht unerhebliche Anerkennung der Transformation politisch-rechtlicher Strukturen durch die Globalisierung: „Staatsspezifische Aufgaben sind heute nicht mehr auszumachen. Folglich stellt die - die Aufgabenerledigung verrechtlichende - Staatsverfassung keine eigene Kategorie mehr da." (764) Zudem ist die europäische Verfassungsgebung als „ein zeitlich gestreckter Vorgang" (496) zu verstehen. Die „einfache" Denkmöglichkeit der europäischen Verfassung als statische „Über"-Verfassung ist diesen Umständen nicht angemessen: „Die europäische Verfassung ist keine übergeordnete Superverfassung, die über den Staatsverfassungen liegt oder diese mit einschließt. Die europäische und die mitgliedstaatlichen Verfassungen ergänzen sich gegenseitig. Sie sind inhaltlich grundsätzlich konkordant und stehen in einer Verflechtungs- und Wechselwirkungsbeziehung. Die europäische Verfassung verliert durch ihre polyzentrische Setzung und Durchsetzung nicht ihren Charakter als Grundordnung." (765) Hinsichtlich der europäischen Demokratie sieht Peters in einer „teilparlamentarisierte[n] Verhandlungsdemokratie" (781) die realistische Perspektive der weiteren Entwicklung. Diese Überlegungen zu einer Theorie der Verfassung Europas bleiben mithin auch und gerade für den aktuellen Verfassungsentwurf höchst relevant.
Inhaltsübersicht: 1. Begriff und Funktion der europäischen Verfassung; 2. Die Ablösung der Verfassung vom Staat; 3. Grundfragen der europäischen Verfassung; 4. Die europäische Verfassungsentwicklung; 5. Die Legitimität der europäischen Verfassung; 6. Die europäische Demokratie.
Manuel Fröhlich (MF)
Prof. Dr., Juniorprofessur für Politikwissenschaft, Universität Jena (www.manuel-froehlich.de).
Rubrizierung: 3.2
Empfohlene Zitierweise: Manuel Fröhlich, Rezension zu: Anne Peters: Elemente einer Theorie der Verfassung Europas Berlin: 2001, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/16533-elemente-einer-theorie-der-verfassung-europas_18990, veröffentlicht am 01.01.2006.
Buch-Nr.: 18990
Rezension drucken
Prof. Dr., Juniorprofessur für Politikwissenschaft, Universität Jena (www.manuel-froehlich.de).
CC-BY-NC-SA