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/ 22.06.2013
Siegfried F. Franke

Europa am Scheideweg. Statt Vertiefung und Erweiterung nun die Eurokrise?

Marburg: Metropolis-Verlag 2012; 310 S.; 29,80 €; ISBN 978-3-89518-809-1
Der Autor legt mit Blick auf die gegenwärtige Finanz- und Eurokrise eine Sammlung von Vorträgen und Aufsätzen vor, ergänzt durch neu geschriebene Kapitel, die dem Buch einen roten Faden verleihen. Die selbsterklärte Zielsetzung liest sich dabei vielversprechend: „Den Einigungsprozess und seine Institutionen [...] etwas detailgenauer zu skizzieren“ (22) mit der Intention, eine kritische Abhandlung über den derzeitigen Zustand einer EU zu bieten, die die Notwendigkeit und Sinnhaftigkeit des europäischen Einigungsprozesses nichtsdestotrotz an erster Stelle sieht. Im weiteren Verlauf wird der Leser jedoch zunehmend enttäuscht. Trotz vieler detailgenauer Abhandlungen über vergangene und gegenwärtige Probleme des Einigungsprozesses gleicht das Buch in seiner Gesamtheit doch oftmals eher einer (neoliberalen) ideologischen Streitschrift denn einer wissenschaftlichen Analyse. Zudem weist es eine Reihe offensichtlicher Widersprüche auf. An zentraler Stelle steht das Argument, die Einführung des Euros sei unter Missachtung zahlreicher kultureller und politischer Unterschiede in den Mitgliedstaaten zu früh erfolgt. Sofern es dem Autor allerdings tatsächlich um die Berücksichtigung sozialer und politischer Zusammenhänge geht, lesen sich die daraus abgeleiteten Schlussfolgerungen allerdings eher seltsam. Nun, wo eben alles schon geschehen sei, dürfe man auf keinen Fall ökonomisch zurückrudern – zu warten hätte dann eben die weitere politische Einigung. Überhaupt scheint jegliche Form politischen Einflusses mit der Gefährdung von Geldwertstabilität gleichgesetzt zu werden (dass diese in Krisen- wie Nicht-Krisenzeiten durchgängig das oberste Gebot sein sollte, wird eher stillschweigend vorausgesetzt), während die Unabhängigkeit der Europäischen Zentralbank als ein Garant für die demokratische Qualität der EU wie auch ihrer Mitgliedstaaten angesehen wird. Bei der Berücksichtigung der wechselseitigen Zusammenhänge von Politik und Wirtschaft gehe es letzten Endes also vor allem um die Tatsache, dass die Politik die ökonomischen Notwendigkeiten nicht missachten könne. Die Frage, warum umgekehrt eine Ökonomie, die auf Unabhängigkeit und Geldwertstabilität basiert, einen Wert an sich darstellen und nicht auch gesellschaftlichen Zwecken dienen sollte, wird nicht beantwortet.
Björn Wagner (BW)
Dipl.-Politologe, Doktorand und Lehrbeauftragter, Universität Jena.
Rubrizierung: 3.13.5 Empfohlene Zitierweise: Björn Wagner, Rezension zu: Siegfried F. Franke: Europa am Scheideweg. Marburg: 2012, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/33451-europa-am-scheideweg_40033, veröffentlicht am 31.05.2012. Buch-Nr.: 40033 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken
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