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/ 30.05.2013
Gerhard Hirscher / Eckhard Jesse

Extremismus in Deutschland. Schwerpunkte, Vergleiche, Perspektiven

Baden-Baden: Nomos Verlagsgesellschaft 2013 (Extremismus und Demokratie 26); 608 S.; 89,- €; ISBN 978-3-8487-0090-5
Die Beiträge gehen zurück auf eine Reihe von Veranstaltungen der Herausgeber, die diese in den vergangenen Jahren mit der CSU‑nahen Hanns‑Seidel‑Stiftung abgehalten haben. Neben Politikwissenschaftlern kommen auch Verwaltungs‑ und Polizeibeamte sowie Verfassungsschützer zu Wort. Diese definieren Extremismus als eine Ablehnung von Verfassungsstaat, Pluralismus und Parteiensystem. Extremismen sind demnach ferner geprägt von einem Freund‑Feind‑Denken und einem starken Dogmatismus. Dieses Begriffsverständnis ist eine wichtige Arbeitsgrundlage für Polizei und Verfassungsschutz, wird aber dafür kritisiert, dass es für die politische Bildung und Sozialarbeit weniger geeignet ist. Außerdem suggeriert diese Definition, dass der Extremismus ein gesellschaftliches Randphänomen ist – tatsächlich finden sich aber Elemente demokratiefeindlicher Einstellungen in allen Gesellschaftsteilen. Diese begriffliche Beschränkung schmälert den Erkenntnisgewinn des Sammelbandes keineswegs. In umfassender Weise beschreiben die Autorinnen und Autoren gegenwärtige Formen des Extremismus. Im ersten Kapitel über den Rechtsextremismus nehmen die NSU‑Morde und das neue NPD‑Parteiverbotsverfahren eine wichtige Stelle ein. Außerdem kann Frank Decker trotz mancher Spekulation deutlich machen, warum Rechtspopulisten in Deutschland parteipolitisch keinen Erfolg haben: Hierzulande verfängt die Kritik am Parteienstaat nur anlässlich einzelner Skandale und trotz Hartz IV bieten sich im Wohlfahrtsbereich wenig Angriffsflächen. Anders als in vielen anderen Publikationen wird auch der Linksextremismus in einem eigenen Kapitel eingehend analysiert. Am kürzesten und etwas unsystematisch fällt das dritte Kapitel über den Islamismus aus. Michail Logvinov macht in seinem Salafismus‑Beitrag zwar deutlich, dass die Salafisten an sich zu viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen und nur ein kleiner Teil von ihnen gewaltbereit ist. Trotzdem bleiben insbesondere die ideologischen Unterschiede zum klassischen Dschihadismus bei ihm zu vage. Barbara Zehnpfennig beschreibt in gelungener Weise die Ideologie des Sayyid Qutb, eines der wichtigsten Islamisten des 20. Jahrhunderts. Nach diesen Abschnitten zu Rechts‑ und Linksextremismus sowie Islamismus führen Hirscher und Jesse mehrere Beiträge in einem Vergleichskapitel zusammen. Sebastian Liebold analysiert dort etwa den Freiheitsbegriff in den verschiedenen Ideologien, wobei der islamistische Freiheitsbegriff leider fehlt. Weitere Beiträge arbeiten unter anderem Unterschiede im Wählerpotenzial und in der Prävention heraus. Eckhard Jesse setzt sich zudem mit der Kritik am hier präsentierten Extremismus‑Ansatz und am Konzept der streitbaren Demokratie auseinander.
Dirk Burmester (DB)
Dr., Politikwissenschaftler, wiss. Angestellter der Freien und Hansestadt Hamburg.
Rubrizierung: 2.372.612.252.3312.222.3252.353.4 Empfohlene Zitierweise: Dirk Burmester, Rezension zu: Gerhard Hirscher / Eckhard Jesse: Extremismus in Deutschland. Baden-Baden: 2013, in: Portal für Politikwissenschaft, https://www.pw-portal.de/rezension/211-extremismus-in-deutschland_43628, veröffentlicht am 11.04.2013. Buch-Nr.: 43628 Inhaltsverzeichnis Rezension drucken
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