Rechtswiss. Habilitationsschrift München; Gutachter: R. Scholz. – Obwohl von einer kulturellen Identität im Grundgesetz nicht die Rede ist, lotet Uhle ihre verfassungsrechtliche Relevanz aus. Einleitend wird der Begriff als Eigenbild einer Nation erläutert. Aus verfassungstheoretischer Perspektive erweist sich die kulturelle Identität als Entstehungs- sowie Geltungsbedingung des freiheitlichen Verfassungsstaates. Dasselbe gilt für die verfassungsrechtliche Sicht, sodass mit einer Transformation der Identität in Recht sowie mit ihrem Schutz als mittelbarem Staatsziel zu rechnen ist, so der Autor. Im Grundgesetz zeige sich dies in den Artikeln 1 und 20 (Menschenwürde in Freiheit und Gleichheit, Rechtsstaatlichkeit, Demokratie usw.) sowie einigen weiteren, die z. B. die Ehe oder den Sonntag betreffen. Letztere Beispiele sind indes Ausnahmen, denn um der Freiheit willen wird die kulturelle Identität oft gerade nicht in Recht transformiert, wie die Glaubensfreiheit zeigt. Das Grundgesetz sei somit institutionell kulturverbunden, grundrechtlich dagegen kulturgelöst. Darüber hinaus habe das Grundgesetz die kulturelle Identität insoweit zum Staatsziel, als sie Elemente umfasse, die eine gemeinwohlorientierte Freiheitlichkeit zuallererst ermöglichten. Ein Kapitel zum europäischen Rahmen beendet die Darstellung. Uhle untermauert seine Positionen beeindruckend gründlich und mit vielen ideengeschichtlichen Herleitungen. Deshalb erstaunt umso mehr, dass der Begriff der kulturellen Identität nicht einmal ansatzweise problematisiert wird. Ob Werte wie Demokratie und Rationalität überhaupt mit dem Eigenbild einer Nation zu tun haben, ist außerdem fraglich – sie dürfte das Europarecht jedenfalls kaum im Blick haben, wenn es dazu verpflichtet, die nationale Identität zu achten.