Geschichtspolitik in der Bundesrepublik Deutschland. Der Weg zur bundesrepublikanischen Erinnerung 1948-1990
Darmstadt: Wissenschaftliche Buchgesellschaft 1999; X, 532 S.; geb., 148,- DM; ISBN 3-534-14479-1Thema des Bandes ist die Entwicklung eines spezifischen Geschichtsbewußtseins in der Gesellschaft der Bundesrepublik Deutschland vom Beginn ihrer Geschichte, unter dem doppelten Vorzeichen des totalen Zusammenbruchs des NS-Staates bei Kriegsende und der sich schrittweise vollziehenden Teilung Deutschlands in der Folgezeit, bis zum überraschenden Ende der geteilten Staatlichkeit 1989. Dabei unterscheidet der Autor im wesentlichen drei Phasen der Entstehung einer kollektiven Erinnerung, wie sie sich zwischen den Polen der historischen Kontinuität und der politischen Stabilisierung entwickelt habe. Zunächst (1948-1953) die widersprüchliche Suche nach einem "nationalen Gedächtnisort", d. h. einem historischen Anknüpfungspunkt der kollektiven, öffentlichen Erinnerung nach dem Zusammenbruch des deutschen Einheitsstaates. Der Versuch, die "deutsche Revolution" von 1848 mit ihren Freiheits- und Einheitsidealen als einen solchen Anknüpfungspunkt zu etablieren, sei angesichts erheblicher Widerstände aufgegeben worden, als die Ereignisse des 17. Juni 1953 der neu begonnenen Deutung der deutschen Geschichte im politischen Diskurs eine Wendung gaben, die neue Strömungen einfließen ließ. Die zweite Phase (1954-1968) wird im Anschluß daran als der "gescheiterte Kult um den deutschen Nationalstaat" (124) bezeichnet. Gegenstand ist hier der anhaltende Streit um Inhalt und Zweck des 17. Juni als "Tag der deutschen Einheit". Der Autor analysiert die Kontroverse als historische Diskursfolie für die politische Auseinandersetzung um das Verhältnis der Bundesrepublik zur DDR und damit zur deutschen Teilung bzw. Zweistaatlichkeit. Letztlich sei der Versuch, mit dem Gedenktag die Erinnerung an den deutschen Einheitsstaat lebendig zu erhalten, gescheitert. Die Wende in der bundesdeutschen Geschichtspolitik habe sich dann in der dritten Phase (1969-1989) als konkurrierende Vielfalt spezifisch bundesdeutscher Erinnerungsbilder vollzogen, maßgeblich beeinflußt von den ersten Exponenten der sozialliberalen Koalition, Heinemann und Brandt. Hier habe die kritische Auseinandersetzung mit der deutschen Vergangenheit seit der Reichsgründung 1870, insbesondere aber mit der deutschen Geschichte in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts im Zentrum gestanden. Der Untersuchung vorangestellt ist eine methodologische Einführung in das Forschungsthema "Geschichtspolitik", die vor allem die Entwicklung des kollektiven und öffentlichen Erinnerns an Geschichte vom "Geschichtsbewußtsein" zur "Geschichtskultur" aufzeigt.
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